17.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Fanta-Mord: Dieser Arbeiter war dabei

Eduard K. musste erleben, wie sein bester Freund an Zyanid starb - kein Hinweis auf Motiv

Von Christian Althoff
Minden (WB). Der Fanta-Mord an Chemiearbeiter Johann I. (44) aus Petershagen - morgen ist er einen Monat her. Die »Mordkommission Kühlschrank« setzt ihre Hoffnungen jetzt in Speichelproben, die gestern von Mitarbeitern der Mindener BASF genommen worden sind und die vielleicht mit DNA-Spuren an der Sprudelflasche übereinstimmen.

»Johann war ein lustiger, hilfsbereiter Mensch«, erinnert sich Chemiearbeiter Eduard K. (40) und kämpft mit den Tränen. Der Arbeiter sagt, er sei der beste Freund von Johann I. gewesen und habe miterlebt, wie der 44-Jährige am 18. Januar qualvoll gestorben sei. »Er hat geröchelt, es war schlimm. . .«
Die Männer hatten sich vor 14 Jahren in Petershagen kennengelernt, nachdem sie mit ihren Familien aus Kasachstan gekommen waren. »Johann hatte 1996 eine Stelle bei der BASF gefunden und mir dort vor sechs Jahren zu einer Anstellung verholfen«, erzählt Eduard K., der gemeinsam mit seinem Freund dem Fischereiverein Petershagen-Windheim angehört hat. »Wir haben manche Nacht mit unseren Angeln am Weserufer gesessen«, erinnert sich der 40-Jährige.
Am 18. Dezember, einem Montag, sollte die Nachtschicht wie üblich um 21.50 Uhr beginnen. »Johann und ich waren schon um halb zehn in der Firma. Wir haben unsere weiße Arbeitskleidung angezogen und in unserem Aufenthaltsraum zusammen mit einem dritten Kollegen auf den Schichtbeginn gewartet.« Johann I. habe am Tisch gesessen und Sudoku-Rätsel gelöst. »Zwischendurch ging er an den Kühlschrank und holte seine Fanta-Flasche heraus, die er am Freitag mitgebracht hatte«, sagt Eduard K. Die Flasche sei bereits zu zwei Dritteln geleert gewesen. »Johann nahm einen Schluck und sagte: Das schmeckt aber komisch!« Dann habe er die Flasche auf den Tisch gestellt und sich weiter in sein Sudoku-Rätsel vertieft. »Plötzlich wurde Johann abwechselnd weiß und rot im Gesicht und sagte, ihm sei schlecht. Dann sackte sein Kopf auch schon zur Seite. Zusammen mit dem anderen Kollegen wollte ich Johann an die frische Luft bringen, aber seine Beine hingen nur noch schlaff hinunter. Da haben wir Johann auf den Boden gelegt und Hilfe geholt.« Einige Kollegen seien dazugekommen und hätten an der zyanidvergifteten Fanta geschnuppert, aber nichts Auffälliges bemerkt. »Nicht auszudenken, wenn die auch daraus getrunken hätten!«
Nachdem ein Notarzt den röchelnden Mann beatmet und ins Mindener Klinikum gebracht hatte, rief Eduard K. seine Frau an. Sie sollte der Tochter (19) und dem Sohn (20) des Schwerverletzten Bescheid sagte. »Ich habe die Kinder im Krankenhaus getroffen, und wir haben gemeinsam um Johann gebangt.« Um ein Uhr hätten sie dann erfahren, das ihr Freund und Vater gestorben sei.
»Seit jener Nacht ist in unserer Firma nichts mehr, wie es einmal war«, erzählt Eduard K. Die Arbeiter seien angewiesen, Getränke und Speisen in ihren Spinden einzuschließen, und die Kantine sei seit dem Mord geschlossen. »Jeder ahnt, dass der Mörder aus der Belegschaft kommt, und entsprechend argwöhnisch geht man miteinander um«, berichtet der 40-Jährige.
Er hatte im Dezember ebenso wie Johann I. und 128 weitere Mitarbeiter die Kündigung zum 30. Juni bekommen, kann aber keinen Zusammenhang mit dem Tod seines Freundes erkennen: »Niemals hätte Johann Selbstmord begangen und seinen Sohn und seine Tochter im Stich gelassen. Er hatte noch vor kurzem zu mir gesagt: Das nächste Ziel in meinem Leben ist, meine Kinder auf eigene Beine zu stellen.«

Artikel vom 17.01.2007