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Der schlafende Riese Berlin

Bob Hanning und seine schwere Aufgabe in der Hauptstadt

Von Lars Krückemeyer
und Volker Krusche
Berlin (WB). Das Eröffnungsspiel Deutschland - Brasilien wird nur ein kurzes, weil einmaliges Vergnügen für die politische Hauptstadt. Ganze 60 weltmeisterliche Handball-Minuten gibt es in der Max-Schmeling-Halle zu sehen, dann verteilt sich der WM-Tross auf die wahren Hochburgen im Land.

Allerdings: daran, dass Berlin nach mehr als 15 Jahren wieder eine erstklassige Adresse im deutschen Handball werden kann, wird kräftig gearbeitet.
»Der Handball-Hunger in Berlin muss erst noch geweckt werden«, weiß Bob Hanning, früher Co-Trainer der Nationalmannschaft unter Heiner Brand, als Geschäftsführer des vermutlichen Zweitliga-Meisters Füchse Berlin um die Schwere seiner Aufgabe. »Fahren Sie mal mit dem Taxi durch Berlin und fragen den Fahrer nach den führenden Sportarten. Fußball, Eishockey und Basketball sind die Antworten. Und wenn sie nach Handball fragen, fällt der Name SSC Berlin - die spielen allerdings Volleyball«, veranschaulicht der 38-Jährige das Problem, eine Sportart in einer Metropole mit rund 120 Bundesligisten wieder zu etablieren.
Chaos habe Hanning vorgefunden, als er im Juli 2005 nach seiner Trennung als Trainer des HSV Handball von Hamburg zu den Füchsen ging. Mit Mühe und Not wurde mit den Feierabend-Handballern der Klassenerhalt geschafft, in letzter Sekunde gab es die Lizenz für die neue Saison. Und weil »Zweitliga-Handball in Berlin nicht praktikabel ist«, gab es für Hanning für die laufende Saison nur ein Ziel: den Aufstieg in die erste Liga. Mit Jörn-Uwe Lommel (früher TuS N-Lübbecke) holte Hanning einen »erfahrenen Trainer, mit dem ich mich reiben kann«, und sorgte mit dem Wechsel in die Max-Schmeling-Halle für dringend benötigtes Aufsehen. »Das Schöne an meiner Aufgabe hier war, dass ich zu Beginn alles machen konnte, es lag ja alles brach«, so der Aufbauhelfer, der gerade gegenüber den Sponsoren auf »seriöse und transparente Finanzpolitik setzt. In dieser Hinsicht ist der THW Kiel unser Maßstab. Alles andere kannst du dir hier nicht erlauben, denn wir müssen erst mal Vertrauen schaffen.« Scheinbar kommt Hannings Konzept an, denn für die nächsten Wochen hat er im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT die Vorstellung eines hochkarätig und prominent besetzten Aufsichtsrats angekündigt.
Sportlich laufen die Planungen bereits für die Bundesliga, denn die mit elf Spielern verstärkten Füchse haben bisher alle Partien in der 2. Liga gewonnen und bereits sieben Punkte Vorsprung auf den zweiten Platz. Im Schnitt 2300 Zuschauer verfolgen die Heimspiele - Ligarekord. Die kurzfristigen Ziele der Füchse fallen im zu erwartenden ersten Erstliga-Jahr etwas bescheidener aus. »Wir bauen ja gerade erst etwas auf und dürfen den Blick für das finanziell Machbare nicht verlieren. Außerdem muss das Gefüge in der Mannschaft passen. Wir wollen versuchen, auch Berliner im Team zu haben. Und natürlich können wir dann auch im Mittelfeld mitspielen. Schließlich haben wir im Gegensatz zu den Konkurrenten aus dem Basketball und dem Eishockey die stärkste Liga der Welt und sind im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen«, nennt der DSF-Co-Kommentator die Trumpfkarten. Hanning sieht den designierten Aufsteiger auf Augenhöhe mit dem TuS N-Lübbecke und GWD Minden, verweist aber auf 15 Jahre Rückstand. »Die wissen schon lange, wie es geht!«
Der 38-Jährige ist der Frontmann der »Berlinalisierung«, wie er seine bisher schwierigste Mission im deutschen Handball nennt. »Das Gesicht des Vereins bin ich. Aber jetzt müssen wir sehen, dass wir den Sport in den Medien nach vorne bringen. Ich spiele ja schließlich nicht.« Ein Schreibtischtäter wird Bob Hanning indes nicht. Der frühere Trainer sitzt auf Lommels Wunsch bei den Spielen mit auf der Bank und coacht noch die A-Jugend. Daran, dass er mit dem Bundesliga-Handball in Berlin scheitert, verschwendet Hanning keinen Gedanken. »Wenn die Füchse angenommen werden, ist das langfristige Ziel, europäisch zu spielen.«
Berlin, ein schlafender Handball-Riese?

Artikel vom 19.01.2007