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»Die meisten draußen wollen einen Wechsel«

Stoibers Götterdämmerung - Kreuth als Schicksalsort

München (dpa). CSU-Chef Edmund Stoiber soll gehen. Aber er will nicht. Das ist das Dilemma der Partei in der eskalierenden Führungskrise um den Ministerpräsidenten.

Die neueste Umfrage vom Wochenende ist ein Albtraum für die CSU. Die Stoiber-Krise hat laut ZDF-Politbarometer derart auf die Stimmung im Lande durchgeschlagen, dass nur noch 45 Prozent die CSU wählen würden - 15 Prozentpunkte weniger als bei der Landtagswahl 2003. Zudem seien 65 Prozent der Bayern gegen Stoiber als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2008. Sogar 52 Prozent der CSU-Anhänger lehnten eine Stoiber-Kandidatur ab.
In Parteiführung und Landtags-CSU herrschen Konfusion und Verwirrung. In der aufgeheizten Stimmung dürfe man bloß nichts überstürzen, heißt die Devise. »Eine ad-hoc Lösung wäre nicht sinnvoll«, sagt ein Präsidiumsmitglied. Doch die Ereignisse überstürzen sich. Fraktionschef Joachim Herrmann stellt als erster CSU-Spitzenpolitiker öffentlich Stoibers Spitzenkandidatur in Frage: »Es ist unüberhörbar, dass sich die Stimmen mehren, dass man vielleicht doch in einer anderen Formation in die Landtagswahl 2008 gehen will«, sagt er dem Bayerischen Rundfunk. Laut Münchner Abendzeitung soll Stoiber eine goldene Brücke für einen Rückzug in Würde gebaut werden.
In der Landtagsfraktion kursieren unterdessen wilde Gerüchte über mögliche Nachfolgekonstellationen: Innenminister Günther Beckstein der neue Ministerpräsident, Wirtschaftsminister Erwin Huber der neue Fraktionschef, lautet ein Modell. Oder vielleicht doch lieber Huber als Regierungschef? Abgeordnete der CSU-Landesgruppe im Bundestag verfolgen die Vorgänge in der Landtagsfraktion mit Entsetzen. »Ein Hühnerhaufen«, sagt einer, und fügt hinzu: »verheerender Schaden«.
Doch Stoiber will nicht gehen. »Ohne ihn, gegen ihn, das zerreißt die Partei«, sagt ein Vorständler. »Das würde vielleicht einen Riss verursachen, der nicht mehr zu kitten ist«. Das weiß auch Stoiber - und darum bleibt er. Der CSU-Chef arbeitet fieberhaft an seiner Rettung: Laut »Bild am Sonntag« will er einen gemeinsamen Fahrplan mit Landtagspräsident Alois Glück und Fraktionschef Herrmann, eine Serie von Regionalkonferenzen mit der Basis, vielleicht einen vorgezogenen Parteitag.
Einzelne CSU-Landtagsabgeordnete wagen sich aus der Deckung: »Wenn ich mich draußen so umhöre, wollen die meisten einen Wechsel, und das ist auch meine Meinung«, sagt der Mittelfranke Jürgen Ströbel am Rande eines Neujahrsempfangs in Ansbach. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos bringt seine Skepsis feinsinnig zum Ausdruck: »Er wird so lange Parteivorsitzender und Ministerpräsident sein, wie ihm die Kraft reicht, diese schwere Aufgabe zu tragen«, sagt er der »B.Z.«
Heute will Stoiber Landtagspräsident Alois Glück und Fraktionschef Herrmann zu Krisengesprächen treffen. Morgen folgt in Wildbad Kreuth die Winterklausur der CSU-Landtagsfraktion. Manche hoffen auf ein reinigendes Gewitter, andere befürchten einen Showdown. Der »Kreuther Geist« der Geschlossenheit wird in der CSU gern zitiert. Viele hoffen, dass der gute Geist jetzt nicht zum Kreuther Gespenst mutiert.

Artikel vom 15.01.2007