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Der Glanz verblasst in
Rekordzeit

Stoibers Politikkarriere

München (dpa). Edmund Stoiber hätte fast alles haben können, doch nun droht er alles zu verlieren. In einem beispiellosen Erosionsprozess büßte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende in knapp einem Monat beinahe seine gesamte Autorität im Freistaat ein, den er fast 14 Jahre führt.
Unter Franz-Josef Strauß wurde Edmund Stoiber groß.

Der am 28. September 1941 in Oberaudorf am Inn geborene Oberbayer hat in seiner mehr als 35-jährigen Parteikarriere den Politbetrieb so sehr verinnerlicht, dass nach Aussagen von CSU-Kollegen ein Leben ohne Politik und Akten für Stoiber gar nicht vorstellbar ist. »Blondes Fallbeil« und »Wadlbeißer« wurde der frühere CSU-Generalsekretär und Ziehsohn von Franz Josef Strauß von seinen Gegnern oft geschmäht.
Den Posten des Ministerpräsidenten hatte der damalige bayerische Innenminister Stoiber im Mai 1993 von Max Streibl übernommen, der im Zuge der »Amigo-Affäre« um Freiflüge und Gratisreisen zurücktreten musste. 2002 verpasste Stoiber als Unions-Kandidat gegen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) den Machtwechsel nur knapp.
Zum persönlichen Triumph wurde für den gescheiterten Kanzlerkandidaten die Landtagswahl 2003, als die CSU ein sensationelles Ergebnis von 60 Prozent einfuhr und erstmals eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Sitze holte. Ausgestattet mit einer beispiellosen Machtfülle - seit 1999 ist Stoiber auch CSU-Parteichef - verordnete er dem Freistaat ein hartes Reformprogramm. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere hätte Stoiber danach Bundespräsident oder EU-Kommissionspräsident werden können. Er wollte weder das eine noch das andere. »Meine Liebe gehört Bayern. Ich strebe kein anderes Amt an«, beteuerte er oft. Dennoch richtete er seinen Blick immer wieder auf höhere Würden in Berlin
Der Abstieg begann im Herbst 2005 mit seinem Rückzieher aus Berlin. Nachdem er zuvor in den Koalitionsverhandlungen ein Superministerium für Wirtschaft und Technologie für sich herausgeschlagen hatte, löste sein plötzlicher Meinungswechsel bei Parteifreunden Entsetzen aus. Stoibers persönliche Umfragewerte haben sich seitdem nicht mehr erholt.

Artikel vom 15.01.2007