13.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Dampfmaschine
als Symbol der
neuen Zeit

Zum Raspi-Jubiläum restauriert

Von Manfred Matheisen und Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). Sie gilt als Dinosaurier des Industriezeitalters und ist die einzige in Westfalen erhaltende Balancierdampfmaschine. Das Historische Museum ist stolz auf das technische Schmuckstück aus dem Jahr 1842, das in der Ravensberger Spinnerei seine Dienste getan hat. Zum 150-jährigen Jubiläum der »Raspi« erstrahlt die Maschine in neuem Glanz.

Rüdiger Uffmann, Technik-Chef des Museums, kennt die Geschichte der universellen Kraftmaschine aus dem Eff-Eff. »Sie steht am Anfang der Industrialisierung Bielefelds, gilt als Symbol der neuen Zeit«, sagt er. Heinrich Niedergassel, ein junger Mann mit Visionen und glänzender Ausbildung im Gewerbeinstitut Berlin, erkannte die Zeichen der Zeit und wandelte 1842 die bestehende »Neue Bleiche« in eine industrielle Produktionsstätte um. Das Leinengewerbe, von dem Bielefeld lebte, war in Not geraten. Nach der Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt machten englische Maschinenspinnereien dem heimischen Gewerbe das Leben schwer.
Niedergassel hielt dagegen. »Motor« seines Betriebes war die Dampfmaschine nebst Transmissionsanlage, die von der Firma Jacobi, Haniel & Huyssen, Oberhausen, gebaut worden war. Zu den Kosten, 6000 Taler, gab es einen Zuschuss aus Berlin. Die Maschine leistete 16 PS und trieb 14 Spindeln an.
Nach den ersten Schritten Niedergassels gewann die Industrialisierung an Schwung. Auf Initiative führender Bielefelder Leinenhandelsfamilien, an ihrer Spitze Hermann Delius, wurde 1854 eine Aktiengesellschaft unter dem Namen »Ravensberger Spinnerei« gegründet. Zum Technischen Direktor berief man Ferdinand Kaselowsky. Er verantwortete Planung und Aufbau der Fabrik, die schon im Januar 1857 mit 1200 Flachsspindeln ihren Betrieb aufnehmen konnte. »Das Projekt in einem derart kurzen Zeitraum zu bewältigen, war eine großartige Leistung«, meint Uffmann.
Die Entwicklung ging stetig voran. 1861 erweiterte die AG den Betrieb, kaufte von Heinrich Niedergassel die »Neue Bleiche« und übernahm die 19 Jahre alte Dampfmaschine. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Ravensberger Spinnerei die größte Flachsspinnerei in Europa, zudem Bielefelds bedeutendster Betrieb mit 1700 Beschäftigten.
1905 hatte die Dampfmaschine ihre Dienste getan, wurde vom Stadtmuseum übernommen. Sie fand im Museumsgarten nahe dem heutigen Adenauer-Platz einen neuen Standort. Nach mancherlei Wirren wurde der technische Dinosaurier in den 1960er Jahren vor der Fachhochschule an der Wilhelm-Bertelsmann-Straße aufgebaut. Seit 1994 steht sie im Eingangsbereich des Historischen Museums.
Zum 150-jährigen Jubiläum der Ravensberger Spinnerei zeigt sich die Maschine in neuem Glanz. Die blanken Teile sind mit Wachs konserviert, die gusseisernen schwarz eingefärbt worden. Das Flachsfeld, das die Inszenierung bislang vervollständigte, wird in den nächsten Wochen neu angelegt.
Mit einer informativen »Spätschicht« ab 16.30 Uhr gedenkt die Volkshochschule, die seit etlichen Jahren im »Fabrikschloss« ansässig ist, am kommenden Montag der Inbetriebnahme der Spinnerei-Maschinen zum Testlauf. Am Sonntag, 4. Februar, erinnert das Historische Museum mit der Veranstaltung »Anspinnen (11 bis 18 Uhr, vielfältige Vorführungen) der Einweihung der Ravensberger Spinnerei am 30. Januar 1857.

Artikel vom 13.01.2007