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Schlaflose Allrad-Nächte
Der neue 4-Matic in der Mercedes S-Klasse ist besonders klein und leicht
Auch wenn Mercedes die Anfänge des Allradantriebs für die Marke mit dem Stern 100 Jahre zurück liegen sieht - eigentlich ist es knapp 30 Jahre her, dass mit dem G-Modell der erste »echte« Allradler auf die Straßen oder besser ins Gelände rollte.
Paul Daimler war es, der 1907 den »Dernburg-Wagen« entwickelte. Der damalige deutsche Staatssekretär Paul Dernburg hatte ein solches Fahrzeug für den Einsatz in Afrika bestellt.
Fast sieben Jahrzehnte später feierte der inzwischen legendäre »G« seine Premiere. Der kantige Wühler zeigt seine Stärken vor allem abseits fester Wege und hat auch beim Militär einen hohen Stellenwert. 1985 debütierte auf der IAA in Frankfurt der erste echte 4-Matic-Pkw, wie Mercedes seinen Allradantrieb nennt, in einer Limousine der Baureihe W124. Der Vorgänger der heutigen E-Klasse begründete die Pkw-Allradflotte.
Inzwischen bietet Mercedes das System in der C-, E- und S-Klasse ebenso an wie in der G-, R- M- und GL-Klasse. Alles in allem stehen 48 unterschiedliche Modelle mit permanentem Allradantrieb zur Verfügung. Und das ohne den Unimog, der als reines »Arbeitstier« nicht in den erlauchten 4-Matic-Kreis aufgenommen wurde. Der Anteil der Fahrzeuge mit Vierradantrieb stieg von 124 000 im Jahr 2002 auf 213 000 im vergangenen Jahr. Der Anteil der Pkw-Modelle beträgt derzeit 43 500 Fahrzeuge.
An der Spitze der Allradler steht die S-Klasse mit einem komplett neu entwickelten Antriebssystem. »Die jetzt vierte Entwicklungsstufe ist mit knapp 70 Kilo um 33 Kilo leichter als das bisherige System. Zudem hat es weniger Reibungsverluste. Das bedeutet erhebliche Verbrauchseinsparungen.« Hans-Dieter Multhaupt (56), Vizepräsident im Programm-Management, beziffert den Mehrverbrauch gegenüber den Hecktrieblern mit gerade einmal 0,4 Prozent. Entwickelt wurde das neue System im eigenen Haus, wo es im Gegensatz zu früher (in Graz bei Steyr) auch gebaut wird. Doch bis es so weit war, hatte der aus Ostwestfalen-Lippe stammende Multhaupt jede Menge schlaflose Nächte zu überstehen. »Es war ein junger Ingenieur aus der Getriebeentwicklung, der die Idee für das unglaublich kleine System hatte und es mir mit seinem Vorgesetzten vorstellte. Multhaupt, in Detmold geboren und in Gütersloh aufgewachsen, war begeistert und vom Erfolg überzeugt.
Doch erst nach mehreren Gesprächen mit dem damaligen Vorstand Jürgen Hubbert gab der grünes Licht und das notwendige Finanzbudget. Verbunden mit einer Warnung: »Wehe, wenn das schief geht.« Eine absolut ernst gemeinte Drohung. »Wären wir mit dem System gescheitert, hätte das vermutlich das Ende meiner Karriere bedeutet.« Und so schlief Multhaupt in den zwei Jahren der Entwicklungszeit öfters sehr schlecht und war so manches Mal schon morgens um sieben am Telefon, um sich über den Fortgang der Arbeiten zu informieren. Inzwischen steht fest, dass alle Sorgen unnötig waren. Die Idee war exzellent und wurde entsprechend umgesetzt. Multhaupt ist weiter im Amt und der junge Ingenieur machte einen kräftigen Sprung auf der Karriereleiter.
An fünf bis sechs »Geistesblitze« ähnlicher Art kann sich Multhaupt in seiner nunmehr zehnjährigen Tätigkeit in seiner jetzigen Position erinnern. »In jedem dieser Fälle war ich vom Erfolg überzeugt und deshalb auch bereit, mein persönliches Schicksal mit der Umsetzung zu verbinden«, sagt Hans-Dieter Multhaupt mit der Ruhe eines echten Westfalen. Wohl wissend, dass der nächste Geistesblitz eines Mitarbeiters und damit weitere schlaflose Nächte nur eine Frage der Zeit sind. Wolfgang Schäffer

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Artikel vom 27.01.2007