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Günther Jauch

»Politik heißt
für mich nicht
in erster Linie
Parteipolitik.«

Leitartikel
Fall Jauch ein Politikum

Wenn »Herr
Christiansen«
verweigert


Von Andreas Schnadwinkel
Eigentlich geht es nur um 60 Minuten Sendezeit am Sonntagabend im Ersten Deutschen Fernsehen. Man könnte allerdings meinen, dass das, was zwischen 21.45 und 22.45 Uhr zum Wochenausklang von einer mehr oder weniger ausgewogen besetzten Gesprächsrunde an Themen durchgenommen wird, in etwa so wichtig für das Land sei wie die Entscheidungen der Großen Koalition.
Willkommen in der Mediendemokratie! Hier ist die Deutungshoheit über das Regierungshandeln ebenso wichtig wie das Regierungshandeln selbst. Und dabei kommt der Gesprächsführung der vermeintlich politisch meinungsbildenden Sonntagabend-Talkshow - die innerhalb der ARD übrigens im Unterhaltungsressort des NDR angesiedelt ist - große Bedeutung zu.
Jauchs Verzicht darauf, »Herr Christiansen« zu werden, ist auch der ARD-Krise geschuldet. Der weltweit größte nicht-kommerzielle Radio- und TV-Verbund ist wegen der föderalen Senderstruktur und all der Gremien nicht voll handlungs- und entscheidungsfähig. Der Jauch-Vertrag sollte der letzte große Deal der alten ARD-Garde um die Intendanten Fritz Pleitgen (WDR) und Jobst Plog (NDR) sowie Programmdirektor Günter Struve werden.
Dass es nicht geklappt hat, spricht gegen die Führungsstärke in der ARD - und für die parteipolitischen Spielchen. Zuletzt sollen vor allem die künftige WDR-Intendantin Monika Piel und WDR-Rundfunkrat Marc Jan Eumann (auch Leiter der SPD-Medienkommission) gegen Jauchs Verpflichtung gearbeitet haben. Ein deutliches Zeichen dafür, dass der SPD Jauchs Gesinnung nicht passt.
Unter dem Strich war die Angelegenheit ein Politikum. Denn der Mann ohne Parteibuch steht dem bei den meisten Medienschaffenden bevorzugten rot-grünen Milieu überhaupt nicht nahe. Gleiches gilt übrigens für Harald Schmidt. Als beide TV-Stars einmal gemeinsam bei einem Bertelsmann-Forum zu Gast waren, wunderte sich so mancher Besucher über deren wertkonservative Ansichten und Überzeugungen.
Letztlich lehnte Günther Jauch ab, weil die zehn Chefredakteure der ARD-Anstalten bei ihm das zurückhaben wollten, was sie bei Sabine Christiansen verloren hatten: den Einfluss auf redaktionelle Entscheidungen.
Dass Christiansen Sendeplatz und Format letztendlich journalistisch an die Wand gefahren hat, ist dem Eigenleben ihrer Redaktion anzulasten. Jauch wollte auch selbstständig arbeiten, hätte nachträglich aber für die Fehler der ARD beim Umgang mit Christiansen bezahlen sollen - der Preis wäre seine journalistische Freiheit gewesen.
Seine Absage macht den 50-Jährigen für die Werbewirtschaft noch attraktiver, denn mit der Entscheidung gegen »die politische Farbenlehre der ARD« hat er weiter an Glaubwürdigkeit gewonnen. Und deutet man die Zwischentöne der jüngsten Aussagen richtig, dann sollte sich das ZDF um Günther Jauch bemühen. RTL stände dem nicht im Wege.

Artikel vom 16.01.2007