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Rechtsanwalt selbst
auf der Anklagebank

Ex-Strafverteidiger prellte seine Mandanten

Bielefeld (uko). Ein ehemals renommierter Bielefelder Strafverteidiger sitzt kommende Woche nun selbst auf einer Anklagebank des Amtsgerichts. Der 45-jährige Jurist muss sich wegen fünf Fällen der Untreue und vier Betrugstaten verantworten.

Opfer des Rechtsanwalts, der mittlerweile seine Zulassung aus freien Stücken zurückgegeben hat, sind ausgerechnet ausnahmslos seine Mandanten gewesen. Prominentester Fehltritt des Juristen: Als er einen 32-jährigen Mann aus Rheda-Wiedenbrück wegen des so genannten Tanga-Mordes vor dem Schwurgerichts des Landgerichts Bielefeld vertrat, holte der Strafverteidiger für den Angeklagten ein psychologisches Gutachten ein, das den Mann entlasten sollte. Den Vorschuss dafür zahlten die Angehörigen des mutmaßlichen Mörders an den Anwalt, der leitete das Honorar in Höhe von 11 200 Euro jedoch nicht weiter. - Dem Angeklagten nützte die Expertise übrigens nichts, er sitzt seither wegen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe ab.
Im übrigen sollen der Anklage gegen den Juristen zufolge auch Mandanten aus dem überregionalen Rotlichtmilieu zu den geprellten Mandanten gehören. Auf Anraten seines Verteidigers Dr. Detlev Otto Binder hatte sich der Rechtsanwalt entschlossen, über bereits ermittelte Fälle der Untreue hinaus sich selbst anzuzeigen. Binder: »Er hat reinen Tisch gemacht.« Besonders kurios: Der Rechtsanwalt, der mittlerweile von seiner Familie getrennt und von Hartz IV lebt, musste seine Fahrerlaubnis abgeben, weil er zuviel Punkte in der Flensburger Verkehrssünderkartei angehäuft hatte.
Binder hofft am kommenden Dienstag vor einem Schöffengericht des Amtsgerichts auf eine Bewährungsstrafe für den ehemaligen Kollegen. »Es ist eine menschliche Tragödie, der Mann hatte als Jurist ein Riesenpotential«, sagte Binder gestern, »allerdings auch eine Neigung zur Selbstzerstörung.«

Artikel vom 12.01.2007