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Treffen der musikalischen Elite

»Academy«, Marriner und Skride im Pro-Musica-Konzert umjubelt

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Ohne Sir Neville Marriner wäre die Musikwelt ärmer. Denn der betörend transparente, pulsierende Klang, den Marriner als Leiter und Vordenker der »Academy of St. Martin in the Fields« prägte, sucht seinesgleichen. Davon überzeugen konnte sich das restlos begeisterte Pro-Musica-Publikum beim fünften Saisonkonzert in der Oetkerhalle.

Es war zugleich ein Generationen-Treffen der musikalischen Weltelite. Hier das seit beinahe fünf Jahrzehnten reüssierende englische Renommierorchester, dort die 25-jährige lettische Stargeigerin Baiba Skride, der trotz ihrer jungen Jahre schon ein legendärer Ruf in Bezug auf Unverwechselbarkeit und Perfektion voraus eilt. Sie konnte ihm als Interpretin von Antonin Dovráks Violinkonzert in a-Moll alle Ehre machen.
Denn ihr leidenschaftlich und intensiv glühender Ton geht unter die Haut. Egal ob im tänzerisch-slawischem Allegro, das sie mit wild-wütendem Anstrich sowie wehmütig-vibratoreicher Kantilene würzt, oder im schmerzlich entrückten Adagio, in dem die Geigerin und ihre Stradivari in einem Strom der Melancholie zu verschmelzen scheinen. Feurig und impulsiv leuchtet ihr facettenreicher Ton dann wieder im Finale, in dem sie den charakteristischen Synkopenrhythmus schwungvoll-vital und mit unvergleichlicher Natürlichkeit ausspielt.
Überhaupt besticht der allzeit ungekünstelte Spielfluss der Skride sowie ihre große Authentizität, mit der sie jede Note und jede Phrase in ein Klanggewand von natürlich fließender Empfindsamkeit fasst. Möglich, dass ihr der slawische Grundton des Werks besonders gut liegt. Schade nur, dass ihr durchweg betörender und umjubelter Auftritt unbeantwortet, sprich die Geigerin eine Zugabe schuldig blieb.
Dafür entschädigen sollte der Altmeister und seine »Academy«, deren Reihen erfreulich viele junge Musiker aufweist. Zuvor beglückte man jedoch mit einer hochspannenden Sicht auf Mozarts Haffner-Sinfonie. Unter dem sparsamen, lediglich Impulse gebendem Dirigat Marriners fand das Orchester zu einer vitalisierenden Klangsprache von soghafter Wirkung. Neben einer äußerst feinziseliert und präzise aufgefächerten Partitur ist es vornehmlich die spezifische Behandlung und Pointierung der rhythmischen Komponente, die die Faszination des Marriner-Academy-Klangs ausmacht. Augenscheinlich wurde dieses Phänomen auch bei Mendelssohns »Italiensicher« Sinfonie, wo die Akzentuierung von Celli und Bässen maßgeblich für den pulsierend-atemenden Sound sorgt.
Solchermaßen sowie dynamisch und agogisch sorgfältig durchzeichnet, wurde auch ein Zugaben-Gassenhauer wie Brahms Ungarischer Tanz Nr. 5 zu einer raffinierten, mit dem Dvorák vorzüglich korresponierenden Petitesse, kongenial ergänzt von einem Andante aus Mendelssohns Reformationssinfonie.

Artikel vom 13.01.2007