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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Dr. Dr. Markus Jacobs

Dr. Dr. Markus Jacobs ist Pfarrer in der katholischen Kirchengemeinde Heilig Geist.

Wenn Jesus uns etwas zum Neuen Jahr gewünscht hätte, was hätte er dann gesagt? Niemand weiß darauf eine Antwort. Aber vermutlich hätte er etwas nicht gesagt, was wir einander recht häufig zusprechen: »Hauptsache gesund«.
Wir haben einander in den vergangenen zwei Wochen viele Wünsche zugesprochen. Der Wunsch nach möglichst viel Gesundheit ist mit großer Wahrscheinlichkeit dabei gewesen. Denn Gesundheit ist so kostbar! Was nützen uns Menschen Erfolg, Glück..., wenn wir all das wegen einer Krankheit nicht wirklich genießen können. Jede Krankheit kann ein mühsam aufgebautes Lebenshaus in den Grundfesten erschüttern. Erfolg, Fortkommen und andere Ziele erscheinen einem kranken Menschen plötzlich völlig nebensächlich.
Für all dies hätte Jesus sicher sehr viel Verständnis gehabt. Er hat sich fast pausenlos um die Krankheiten von Menschen gekümmert. Aber er hätte wahrscheinlich nie gesagt »Hauptsache gesund«. Zu viele Begebenheiten aus seinem Leben sprechen dagegen.
Eine der ersten Szenen des Markusevangeliums ist dafür der beste Beleg. Zu Beginn seines öffentlichen Auftretens war Jesus aus guter Freundschaft in die Heimatstadt einiger der Apostel gekommen. Jakobus und Johannes, und die Brüder Petrus und Andreas stammten aus Kafarnaum. Bei ihren Familien wohnte Jesus wohl eine gewisse Zeit. Und in diesem vertrauten Kreis wäre die Gelegenheit gewesen, alles für die Gesundheit der Leute zu tun.
Aber offensichtlich ging es Jesus gar nicht um »Hauptsache gesund«. Denn wie lässt es sich sonst erklären, dass Jesus die Krankheiten teilweise hintanstellte?
Es geht los gleich am ersten Wochenende: in der Synagoge hatten ihn inzwischen recht viele kennen gelernt. Vor allem hatte er durch eine Heilung in der Familie des Petrus auf sich aufmerksam gemacht. Und nun wird der Andrang immer größer. Den ganzen Abend nach dem Synagogenbesuch kommt Jesus aus der Beschäftigung mit den Kranken nicht mehr heraus. Die Heilungserfolge müssen großartig gewesen sein.
Um so überraschender für die Jünger war es dann, dass er am nächsten Morgen verschwunden schien. Man hält nach ihm Ausschau und entdeckt ihn in der Einsamkeit außerhalb der Stadt beim Beten. Sie wollen ihn zurückholen: »Alle suchen dich!« Doch schon in diesem Moment spricht er davon, dass er eine Botschaft habe. Um die zu verkünden, würde er lieber weiter ziehen. Schon da lässt er Kranke einfach zurück.
Noch greifbarer wird es dann einige Tage später. Er kommt mit den Aposteln wieder in Kafarnaum vorbei. Nun wird der Andrang mit den herbeigeholten Kranken fast bedrohlich. Alles ist völlig verstopft mit Menschen, die ihre Leiden endlich loswerden wollen. Die Not wird am erkennbarsten, als vier Männer für ihren erkrankten Freund kurzerhand das Dach durchtreten, unter dem Jesus in einem Haus zufällig gerade steht. Sie lassen den Kranken auf einer Bahre von oben direkt vor den Füßen Jesu herunter.
Und jetzt kommt die ungewöhnliche Wendung. Es heißt dort: »Als Jesus ihren Glauben sah, sagte er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.«
Soll das alles gewesen sein? Es wäre wahrscheinlich alles gewesen! Es war das, was Jesus diesem Mann - zumindest in diesem Moment - als Wichtigstes schenken wollte. Und die Freunde hätten ihn wahrscheinlich auf der Bahre auch wieder hochziehen müssen, wenn nicht einige Umstehende genau diese Fähigkeit Jesu zur Sündenvergebung angezweifelt hätten. Und nur ihretwegen und wie zum Beweis, dass er wirklich zum Geschenk der Vergebung in der Lage ist, kommt Jesus noch einmal zu diesem Mann zurück und heilt ihn auch körperlich. Von Gesundheit als absoluter Priorität kann also nicht die Rede sein.
Jede Krankheit ist für uns Menschen eine Krankheit zu viel. Deshalb muss alles Erdenkliche für die Heilung von Menschen getan werden. Auch Jesus hat sehr viele Menschen geheilt. Aber das »Heil« muss noch mehr sein. »Heil« muss mehr sein als körperliche »Heilung«. Dazu gehört offensichtlich Vergebung, dazu gehört manches mehr und schließlich eine Perspektive über den Tod hinaus. Was würde ich mir von Jesus zum Neuen Jahr wünschen?

Artikel vom 13.01.2007