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Darfur - ein Krieg aller gegen alle

Thilo Thielke hat das derzeit beste Buch zum Sudan-Konflikt geschrieben

Bielefeld (WB). Der Schluss ist zynisch, aber bitter wahr: Sudans Krisenprovinz Darfur schlittert in einen Krieg aller gegen alle. Spiegel-Korrespondent Thilo Thielke hat den Westen des (wie lange noch?) größten Landes Afrika bereist. Seine spannende Analyse bietet das beste Gesamtbild vom Schauplatz eines Völkermordes.

Gespräche mit fast allen Beteiligten, Recherchen im Schlepptau der Rebellen, Rückgriffe auf Afrikaforscher wie Alfred Brehm und eine glasklare Meinung zum Geschehen bieten Lesern gesicherte Urteile, sowie Information und Überblick.
So zeigt der Autor den einzigen Rebellenführer, der den Darfur-Friedensvertrag unterschrieb, Minni Arku Minnawi, nicht als Lichtgestalt sondern typisch afrikanisch: Als Präsidentenberater sei Minni gemäß seinem Versprechen in der Hauptstadt der islamistischen Militärstaats angekommen - ganz allein im Zentrum der Macht und »ohne seine marginalisierten Landsleute, für die der Krieg ursprünglich einmal gedacht war.«
Das schlichte Muster von guten und bösen Mächten lasst Thielke nicht gelten. Er hinterfragt konsequent, warum die Darfuris, und darunter wiederum andere Stämme, den Konflikt 2003 eigentlich begonnen haben. Welche Rolle spielte der nach 21 Jahren vorerst geschlichtete Nord-Süd-Konflikt? Wem nützt was? Welche Ziele haben Libyen, Tschad, Uganda und Äthiopien früher verfolgt? Was streben China (schon da) und die USA (außen vor) angesichts verlockender Bodenschätze heute an?
Aufschlussreich ist auch das Porträt des Rebellen-»Ministers« für humanitäre Angelegenheiten, Suleyman Jamous. Thielke verdankt ihm einen gut zweiwöchigen Trip auf bewaffneten Pickups hinter den Linien. Dabei erkennt der Reporter rasch, dass es dem alten Fuchs (und Überläufer) aus Khartum womöglich noch nie besser ergangen ist als auf dem permanenten Ritt durch die Halbwüste.
Definitiv falsch sind die Behauptungen, der Flughafen von Paderborn sei kaum besser als der in Khartum und das Welternährungsprogramm füttere den Krieg an. Wenn Thielke vor dem Zerfall des Sudans als Sündenfall warnt und zugleich Sezessionen im Süden, Osten und Westen billigt, erweist er sich als genauso ratlos wie andere. Entweder, er steht zu der alten kolonialen Grenzziehung oder er nennt eine Alternative. An der Reife der Afrikaner, in Abstimmungen über sich selbst zu entscheiden, hegt er jedenfalls erhebliche und begründete Zweifel. Reinhard Brockmann
Thielo Thielke, Krieg im Lande des Mahdi, Darfur und der Zerfall des Sudan, Magnus-Verlag, 14,95 Euro

Artikel vom 24.01.2007