12.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bucheinbände, die den Inhalt fast vergessen lassen

Kunstvolle Ausstellung in der Uni-Bibliothek

Bielefeld (sas). Diese Bibel ist etwas ganz Besonderes: Die Außenhülle besteht aus einer bizarr geformten Baumwurzel, in die ein Kreuz eingearbeitet ist. Der Farbschnitt ist zusätzlich mit Malerei - Engel und Heilige - verziert. »Spektakulär« murmelt eine Bewunderin. Zu recht. Valerie Henner hat das kunstvolle Exemplar für einen Wettbewerb geschaffen. Gezeigt wird es mit anderen prächtigen Bucheinbänden in der Bibliothek der Universität.

Valerie Henner arbeitet in der Buchbinderei der Hochschule. Nur zerfledderte Bände zu reparieren oder Zeitschriften-Jahrgänge zu binden reicht ihr und ihrer Kollegin Heike Trummel aber nicht: Die beiden nehmen regelmäßig an internationalen Wettbewerben teil und fertigen dafür in 30 bis 80 Stunden phantasievolle und handwerklich perfekte Einbände, einer wie der andere ein kunstvolles Unikat.
»Monate vor einem Wettbewerb bekommt man den Buchblock zugeschickt - zumeist in Französisch, weil in Frankreich die großen Wettbewerbe ausgeschrieben werden«, erzählt Valerie Henner. Zum Text passend muss nun der Einband geschaffen werden. Maximal 1000 Buchbinder und vereinzelte Autodidakten, Graphiker oder Tischler nehmen an den Wettbewerben teil. Immerhin müssen sie einiges investieren - an Zeit, aber auch an Geld. 1000 Euro kommen da schon mal zusammen.
Für Valerie Henner und Heike Trummel, die ihre Buchbinderlehre 1979 an der Uni begann und heute Meisterin ist, ist die Arbeit an den künstlerisch gestalteten Büchern die Kür, der sie sich in ihrer Freizeit widmen. »Dann macht man zu einem Thema viele Entwürfe - und am Ende sieht es dann doch ganz anders aus«, schmunzelt Trummel, die schon zum achten Mal an der Biennale Mondiale de la Relieur teilgenommen hat. Und wie Valerie Henner, die im vergangenen Jahr für ihren Einband zu Jules Verne den Prix de la Ville Chateaufort gewann (das in Kalbsleder gebundene Buch mit Metallteilen wird von einer gravierten Weltkugel aus Kristall gekrönt), gehört sie zum harten Kern derer, die sich immer wieder stellen. »Sonst würde mir auch etwas fehlen.«
Aus Holz, Leder, Pergament, selbst geschöpftem Papier, aus Gips und Stoff fertigen die beiden Buchbinderinnen die Einbände. Als Konkurrentinnen sehen sie sich nicht. Im Gegenteil: »Wir besprechen Ideen und Probleme«, sagt Heike Trummel, die eigentlich einmal Bäckereifachverkäuferin werden wollte. Heute ist sie froh, dass sie einen anderen Weg gewählt hat: »Ich mochte Bücher schon als Kind und habe sie sehr pfleglich behandelt.« Diese Leidenschaft, verknüpft mit handwerklichem Geschick und viel Kreativität leben sie und ihre Kollegin aus. Und der Betrachter verharrt ehrfürchtig vor den prächtigen Arbeiten, die den Ölgemälden von Achim Hellmann die Schau stehlen.
Gezeigt werden in der Ausstellung auf der Ebene C 1 auch Arbeiten der Kollegen von Trummel und Henner - immerhin beschäftigt die Universität acht Buchbinder -, Dokumentenrollen, Schachteln und Briefmappen sowie Handwerkszeug und Materialien: Goldblatt, Graphit und Schlangenhaut, Zirkel, Glättzahn, Ahle, Schärfmesser oder Leimtopf und Pinsel.
Die Ausstellung ist montags bis freitags von 8 bis 22 Uhr und samstags bis 13.30 Uhr zu sehen. Von Samstagmittag an sowie an Sonn- und Feiertagen ist das Uni-Gebäude nur durch den Hautpeingang gegen Vorlage eines Studierenden -oder Bibliotheksausweises zugänglich.

Artikel vom 12.01.2007