12.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ganz nah an den handelnden Figuren

Jungregisseur David Bösch inszenierte Goethes »Clavigo« in Hamburg

Hamburg (dpa). Graue Betonwände begrenzen die Bühne, ein weißer Stuhl, ein schwarzer Tisch mit Schreibmaschine stehen in der Mitte.

Mehr Requisiten braucht es nicht, um die innere Leere zu beschreiben, die Goethes Clavigo spürt, seit er seine geliebte Marie verlassen hat. Ein leeres Blatt Papier, er setzt mit einem Finger zum Schreiben an - aber er schafft es nicht, nur einen Buchstaben zu tippen. Aus dem Off ertönen Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Plötzlich fährt Clavigo auf: »Marie. Marie. Ich schwur ihr, dass es ewig so sein sollte.« Doch sein Freund Carlos versucht ihn zu beruhigen: »Sie ist nicht das erste verlassene Mädchen auf der Welt.«
Mit viel Einfühlungsvermögen und reduziert auf das Wesentliche hat Jungregisseur David Bösch Goethes Sturm-und-Drang-Drama »Clavigo« am Mittwochabend auf die Bühne des Hamburger Thalia gebracht. Der Text wurde stark gekürzt, die Sprache modernisiert und mit etlichen Pop-Songs aufgepeppt. Von den ursprünglich acht handelnden Figuren wurden drei gestrichen, damit nur noch die Gegensatzpaare Clavigo und Carlos, die Schwestern Marie und Sophie, sowie Maries treuer Verehrer Buenco übrig blieben. Die kurzweilige und temporeiche Inszenierung kam beim Publikum gut an - auch wenn der Schluss stark gekürzt wurde.
»Wir haben versucht, oft monologische Situationen zu schaffen, um näher an die Figuren zu kommen«, sagt der 28-Jährige, der von Thalia-Intendant Ulrich Khuon vor drei Jahren entdeckt und gefördert wurde. Für seine Inszenierungen erhielt der Jungregisseur, zur Zeit Hausregisseur am Schauspiel Essen, bereits etliche Preise, darunter für die Thalia-Produktion »Viel Lärm um Nichts«, die bei den Salzburger Festspielen mit dem Young Directors Award ausgezeichnet wurde. Die Szenen, in denen die Hauptfiguren alleine auf der Bühne stehen und versuchen, sich über ihre Gefühle klar zu werden, sind dann auch die stärksten im Stück.

Artikel vom 12.01.2007