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Großbritanniens Müll in die »Klikos«

Craemer fertigt Tonnen, Paletten und Autoteile

Von Bernhard Hertlein
Herzebrock (WB). So wie in Deutschland jedes Papiertaschentuch unabhängig vom Hersteller »Tempo« heißt, so nennen viele Holländer eine Mülltonne einfach »Kliko«. Hersteller dieses Markenprodukts ist die in Herzebrock bei Gütersloh ansässige Paul-Craemer-Gruppe.

Die Produktion von zuletzt jährlich einer Million Mülltonnen soll in diesem Jahr auf 1,2 Millionen steigern. Damit gehört Craemer neben Sulo (Herford) und Otto (Kreuztal) zu den führenden Produzenten von Kunststoff-Mülltonnen in Deutschland.
Die von Dr. Achim Brandenburg, dem Gesellschafter und Vorsitzenden der Geschäftsführung der Craemer-Holding, erwartete Steigerung um 200 000 Tonnen rührt unter anderem von einem Großauftrag aus Großbritannien. Dort, in Telford in den englischen Midlands, haben die Ostwestfalen im vergangenen November ein neues Kunststoff-Spritzgusswerk in Betrieb genommen. Noch überwiegen im britischen Straßenbild Blechcontainer und Plastikbeutel.
Brandenburg geht davon aus, dass ähnlich wie im Vereinigten Königreich auch in Osteuropa die Müllentsorgung zügig umgestellt wird. Zudem eröffnet Telford Exportchancen nach Skandinavien. Das britische Werk ist nach Liptovsky Mikulás in der Slowakei der zweite ausländische Produktionsstandort der vor 95 Jahren gegründeten Craemer-Werke.
Begonnen hat das Herzebrocker Familienunternehmen mit der Verformung von Metallteilen. Miele zählte zu den ersten und auch noch aktuellen Kunden. Hauptabnehmer für diesen Bereich ist allerdings inzwischen die Automobilindustrie. »Es gibt wohl kaum ein Volkswagen-Modell, in dem kein Teil von Craemer eingebaut ist«, freut sich Brandenburg. Dabei liefert das Unternehmen zunächst mittelbar vor allem an die Produzenten von Autositzen. Aber auch in Autotüren und in der Luftfederung von Lastwagen finden sich vielfach Teile aus der Herzebrocker Produktion.
Neben VW sind auch Audi, Mercedes und BMW wichtige Endkunden. Grund der starken Stellung in der Branche sind auch die eigene Entwicklungsabteilung und Werkzeugproduktion.
Die Kunststoffverarbeitung wurde Ende der fünfziger Jahre zum zweiten Standbein der Gruppe. Neben Transportkästen, vorzugsweise für empfindliche Lebensmittel und Lagerbehälter, liegt der Schwerpunkt heute auf Kunststoff-Paletten. Craemers »H1« ist heute etwa in der deutschen Fleischwarenindustrie Standard. Jährlich produziert das Unternehmen mehr als 500 000 Kunststoff-Paletten.
Obwohl die gestiegenen Kosten für Stahl, Kunststoff-Granulat und Transport auf die Marge drücken, steht Craemer nach Angaben des Finanzchefs Bernd Brockhagen auf grundsolider Basis. Das Stammwerk in Herzebrock entwickele sich stabil; für 2007 erwartet Brandenburg ein Plus von zwei Prozent.
Das bevorstehende große Wachstum an den neuen Standorten -Ê plus 30 Prozent in der Slowakei, wo im Frühjahr zwei neue Pressen in Betrieb genommen werden, und plus 50 Prozent in Mittelengland - speise sich vor allem aus zusätzlichen Aufträgen. Insgesamt soll der Umsatz der Gruppe 2007 um 22 Millionen auf 149 Millionen Euro steigen.

Artikel vom 12.01.2007