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Zu faul? Professor muss gehen

Germanistik-Dozent wollte nur noch zwei Tage pro Woche arbeiten

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WB). Zahlreiche Buchveröffentlichungen zum Thema Sprache haben Matthias Hartig (59) beachtliches Renommee gebracht. Die Germanistik-Studenten der Uni Paderborn bekommen ihren Professor indes nur selten zu sehen: Auf dem Campus gilt der Sprachwissenschaftler als »faulster Professor Deutschlands«.

Seit mehr als drei Jahrzehnten ist Dr. phil. Matthias Hartig an der Paderborner Uni tätig. 1980 wurde er zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Durch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Minden begründete Hartig im vergangenen Jahr seinen inzwischen zweifelhaften Ruf: Der in Frankfurt wohnende Wissenschaftler wollte - bei unveränderten Bezügen - nur noch zwei Tage pro Woche und höchstens acht bis zehn Stunden in Paderborn lehren. Er verwies dabei auf sein »Gewohnheitsrecht« und seine durch eine Diabetes angeschlagene Gesundheit. Die Richter wiesen sein Begehren zurück. Nachdem Hartig wegen Krankheit etwa ein Jahr lang fehlte, zog Rektor Nikolaus Risch schließlich die Konsequenzen und schickte ihn zum 30. September 2006 in den vorzeitigen Ruhestand. Eine Klage Hartigs gegen den sofortigen Vollzug wies das Verwaltungsgericht zurück.
Durch die Strafanzeige einer Studentin wegen sexueller Nötigung ist der Professor zudem ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Er habe sie und andere Kommilitoninnen bei Videoaufnahmen im Rahmen einer Studie zur »nonverbalen Kommunikation« zu anzüglichen und aufreizenden Posen aufgefordert, behauptet die junge Frau. Bei einer Durchsuchung von Hartigs Wohnung stellten die Fahnder 460 Videokassetten sicher. Doch nur ein einziges Band soll nach Informationen dieser Zeitung die Aussagen der Zeugin erhärten. Die Ermittlungen seien in der Schwebe, verlautet aus der Paderborner Strafverfolgungsbehörde. Prof. Hartig und sein Rechtsanwalt Dieter Cramer hätten die Anschuldigungen zurückgewiesen. Hartig soll sich wissenschaftlich mit den Bewegungen von Frauen und deren Auswirkungen auf die Werbung beschäftigt haben.
Unter den Studierenden genießt der Sprach- und Kommunikationsforscher nicht nur wegen seiner spärlichen Präsenz einen zweifelhaften Ruf. In der gesamten Fakultät sei er für »billige Scheine« bekannt. »Wenn Sie einen Leistungsnachweis erwerben wollen, reicht es, wenn Ihr Name in meiner Liste steht«, zitiert eine Ex-Studentin den Professor, »die meisten von Ihnen haben doch sicher auch ein aufregendes Privatleben oder einen Nebenjob«. Dass der Ruf der Universität Paderborn durch den »Fall Hartig« bereits gelitten hat, verdeutlicht die Aussage eines anderen Studenten: »Germanistik kann man in Paderborn wirklich nicht mehr studieren.«
Die Uni will »wegen des laufenden Verfahrens« keine Stellungnahme abgeben. Hartig selbst ist nicht zu erreichen.

Artikel vom 12.01.2007