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Mini-»Staat«
im Angebot

Westfale angeblich Regierungschef

London/Rheda-Wiedenbrück (dpa/WB/dk). Die nur 47 Meter lange und 13 Meter breite Insel Sealand hat eine turbulente Geschichte hinter sich. Jetzt steht sie zum Verkauf und soll mindestens 504 Millionen Pfund, umgerechnet 750 Millionen Euro, kosten.

»Mein Vater ist inzwischen 85 und meine Mutter Ende 70, und ich bin auch schon 54«, sagte Michael Bates, der sich als »Regierungschef« von Sealand tituliert, der BBC. Er ist der Sohn von Major Paddy Roy Bates, der der Insel vor der britischen Südostküste ihren Namen gab und am 2. September 1978 als unabhängigen Staat ausrief. Mehr als ein paar Unterkünfte, Büroräume, einen Dieselgenerator und eine Mini-Kirche hat das skurrile Gebilde auf Betonpfeilern nicht zu bieten.
Unter dem Namen Roughs Tower diente die künstliche Insel Großbritannien im Zweiten Weltkrieg zur Luftabwehr gegen die Deutschen. Als sie angelegt wurde, befand sie sich außerhalb der britischen Hoheitsgewässer. Das nutzte der englische Ex-Major Paddy Roy Bates. Er zog 1967 mit seiner Familie auf die nicht mehr genutzte Insel und machte daraus den »kleinsten Staat der Welt«. Auch wenn das britische Königshaus Sealand nie als unabhängig anerkannte, hat die Insel eine eigene Flagge, Briefmarken, Währung (Sealand-Dollar), Verfassung, Losung (»Freiheit aus dem Meere«) und Reisepässe.
Dass ein Sealand-Pass auch ein Verhängnis sein kann, musste ein Deutscher 1978 erfahren. Alexander Achenbach putschte im August mit Unterstützung einiger Holländer gegen die Familie des Fürsten und erklärte den Regenten für abgesetzt. Nachdem Roy die Insel mit einem Hubschrauber voller Soldaten zurückerobern konnte, kamen die Entführer hinter Schloss und Riegel. Die deutsche und die niederländische Regierung wandten sich an Großbritannien. Doch London erklärte sich für nicht zuständig. So handelte Sealand unabhängig. Die Holländer kamen nach der Genfer Konvention frei, doch der Deutsche musste als Besitzer eines Sealand-Passes und damit als »Bürger« zeitweise in »Haft«.
Die kuriose Geschichte ging in Westfalen weiter. Denn bis heute sieht sich Johannes Seiger (65), der in Geseke (Kreis Soest) geboren wurde und als Kaufmann in Rheda-Wiedenbrück (Kreis Gütersloh) die Firma »Sealand Trade Corporation« betrieb, als der rechtmäßige »Ministerpräsident« des Fürstentums Sealand. Achenbach soll Seiger nach seiner erzwungenen Abdankung erst zum Wirtschaftsminister ernannt und ihm dann die Staatsgeschäfte übertragen haben. Seiger lebt mittlerweile im brandenburgischen Trebbin und betreibt dort die »Diplomatische Vertretung des Fürstentums Sealand«. Steuern will er in Deutschland nicht zahlen.

Artikel vom 11.01.2007