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Lasst das die Wissenschaft machen!

Nach der Uraufführung: Stimmen zum Film »Mein Führer« von Dany Levy

Essen/Bielefeld (dpa) Mit begeistertem Applaus haben mehr als tausend Premierengäste am Dienstagabend in Essen die Uraufführung der umstrittenen Hitler-Satire »Mein Führer« aufgenommen. Doch die Kritik ist nicht verstummt. Eine weitere kommt vom Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler.

»Diesen Film habe ich machen müssen, er ist irgendwann aus mir herausgequollen, fast wie ein Alien«, bekannte Regisseur Dani Levy nach dem Schlussapplaus im ausverkauften Traditionskino »Lichtburg«. Hauptdarsteller Helge Schneider sagte lediglich: »Ich will nichts sagen.« Der Komiker und Musiker Schneider hatte sich in den vergangenen Tagen von dem Film distanziert. »Ich persönlich mag den Film nicht«, sagte er vor Beginn der Premiere auf dem roten Teppich. »Aber ich bin sicher, dass der Film was lostritt.« Die Komödie ist heute bundesweit mit 250 Kopien in den Kinos.
Vor allem die Auftritte Schneiders und die von Sylvester Groth als Joseph Goebbels sorgten während der Vorstellung in Essen für Heiterkeitsausbrüche und Szenenapplaus. »Das ist Vergangenheit, das kann man doch auch mal von einer anderen Seite angehen«, sagte ein 21-jähriger Premierengast. Doch nach der Vorstellung war den Zuschauern nicht nur nach Heiterkeit zumute. »Ich habe viel gelacht, aber einige Szenen fand ich auch nur daneben - da war alles drin«, sagre etwa MTV-Manager Dieter Gorny.
Zahlreiche Kulturschaffende hatten im Vorfeld Levys Konzept kritisiert, über Hitler eine Komödie zu drehen. Damit würden die Verbrechen der Nationalsozialisten womöglich verharmlost, lautete die vielfach geäußerte Kritik.
Nach der Uraufführung hat der Historiker Hans-Ulrich Wehler dazu aufgerufen, das Thema Hitler der Wissenschaft zu überlassen. »Die Behandlung von Figuren wie Lenin, Stalin und Hitler ist besser bei Wissenschaftlern aufgehoben als in einer Persiflage«. Der Film wolle vor allem angesichts der medialen Überfütterung mit NS-Stoffen unbedingt mit etwas Neuem faszinieren. »Aber die Nazi-Verbrechen sind Phänomene, die lassen sich nicht ins Bild übersetzen. In diese Lücke stößt eine solche Skandalnudel.« Der 75-Jährige kritisierte auch, dass TV-Entertainer Stefan Raab heute in seiner Comedy-Show »TV total« (ProSieben) mit Schneider und Regisseur Levy über die Film-Satire sprechen wird. »Wenn Hitler ins Lächerliche gezogen werden soll, genügt der eine Film »Der große Diktator« von Chaplin. Das »TV Total« zu überlassen, das widerstrebt mir mit jeder Faser.«

Artikel vom 11.01.2007