13.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Gustave Flaubert
(1821 - 1880)

»Alle Rechnungen haben eines gemein: Sie sind immer zu hoch.«

Leitartikel
Putin und der Öl/Gas-Druck

Wer im Walde pfeift,
hat's schwer


Von Rolf Dressler
Alle reden vom Wetter. Fast immer. An beinahe jeder Ecke. Mal im wohltemperierten trauten Heim, mal im Büro, mal beim nachbarschaftlichen Plausch über den Gartenzaun hinweg.
Dennoch - beinahe hätten wir es ganz vergessen - gibt es aber durchaus auch noch ein Leben diesseits oder jenseits des Reviers der Wetterfrösche vom Dienst. Apropos: Wohin eigentlich ist ausgerechnet in diesen Tagen heißer Debatten über unser aller Erdöl-, Gas- und Energie-Zukunft ein Mann namens Gerhard Schröder abgetaucht? Könnte in einer so kribbeligen Polit-Wetterlage nicht gerade er bei Männerfreund Wladimir Putin ein auch klimatisch wohlgesetzt klares Wort einlegen zum Nutzen Deutschlands und der westlichen Industriestaaten-Welt? Könnte, ja, müsste nicht gerade der frühere Bundeskanzler und heutige Russengas-Beauftragte sein Gewicht in die Waagschale werfen, um den Machtmenschen Putin von seinem Cowboy-Gebaren in Sachen Öl- und Gas-Druck abzubringen?
Schröder würde damit nicht nur Deutschland einen hochwichtigen Dienst erweisen. Denn andernfalls - sprich: wenn man die Dinge einfach weiterlaufen ließe - behielte der Kreml-Mächtige das Heft des Handelns vollauf in der Hand, könnte er die Sperrhähne auf- und zudrehen und so die Preise fast nach Lust und Laune ausreizen, immer hart an der jeweils nächsten Schmerzgrenze entlang.
Putin sitzt nun einmal am längeren Hebel. Er kennt und nutzt die Klaviatur der Daumenschraube. Wie er mit der Ukraine und sogar mit dem »Bruderland« Weißrussland umspringt, sollte Warnung genug sein. Freilich weiß Putin auch, dass der Öl- und Gas-Hunger der westlichen Großverbraucher-Länder für Russland und sein Herrschaftssystem buchstäblich Gold wert ist. Und das soll, wenn es nach Putin und seiner Nomenklatura geht, so lange wie möglich so bleiben.
Deshalb erkunden seine Geologen, Geophysiker, Bohr- und Förderspezialisten unter Volldampf und mit hochmoderner Technologie in immer tieferen Tiefen das Erdinnere, wo sie unermesslich große Öl- und Erdgas-Vorkommen vermuten. Dabei beflügelt sie offenbar die Hoffnung, wenn nicht die Fast-Gewissheit, den, wie sie sagen, »westlichen Mythos vom angeblich baldigen Aus der Vorkommen« ein Ende machen zu können. Näheres dazu findet sich in dem nebenstehenden Hintergrundbeitrag.
Die nüchternen Zahlen sprechen Bände. Russland ist für Deutschland und Europa der alles überragende Lieferant: Erdöl 37 Prozent, gefolgt von Norwegen (15 Prozent), Großbritannien (13 Prozent) und Libyen (12 Prozent); Erdgas: Russland 37 Prozent, Norwegen 25 Prozent, Niederlande 20 Prozent.
Gerhard Schröders Freund Wladimir Putin versteht sich auf das ewig junge Macht(bewahrungs)prinzip von Zuckerbrot und Peitsche. Mit ihrem »Wir verlangen Energiesicherheit!« dürfte daher ihm weder Angela Merkel noch die EU im ganzen sonderlich beeindrucken.
Pfeifen im Walde ist zu wenig.

Artikel vom 13.01.2007