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»Das Lachen ist mir ganz wichtig«

Birgit Böcker hat den Brustkrebs besiegt und eine Selbsthilfe-Sportgruppe gegründet

Von Markus Poch
Bielefeld (WB). 2006 war das schwerste Jahr ihres Lebens: »Es grenzt an ein Wunder, dass ich jetzt schon wieder herumspringen kann«, sagt Birgit Böcker. Am Valentinstag 2006, das war der 14. Februar, stand die endgültige Diagnose ihres Frauenarztes wie in Granit gemeißelt: Brustkrebs.

Im Vorfeld dieser Diagnose und in den Monaten danach ging die 39-jährige Physiotherapeutin aus Brackwede durch die Hölle. Jetzt sollen andere Frauen mit ähnlichem Schicksal von ihren Erfahrungen profitieren.
Zu Beginn dieses Jahres hat Birgit Böcker eine sportbetonte Selbsthilfegruppe gegründet, in der an Krebs erkrankte Frauen oder solche, die ihn überstanden haben, neuen Mut schöpfen sollen. Die kleine Gruppe trifft sich einmal wöchentlich unter dem schönen Namen »Back to life« (Zurück zum Leben) beim Brackweder Physiotherapeuten Dirk Meißner, der seine Räume und Sportgeräte dafür zur Verfügung stellt.
Programm ist alles, was Spaß macht: »Und da sind wir sehr flexibel«, betont Birgit Böcker. »Wenn uns danach ist, dann machen wir spontan auch mal Nordic Walking oder Tai Chi. Und das Lachen ist mir ganz wichtig. Dabei werden 70 Muskeln aktiv.« Ihr liege am Herzen, Sport nicht nur als Behandlungsmethode einzusetzen, sondern als Gruppenerlebnis, das Laune macht.
»Ich weiß in jeder Phase dieser schrecklichen Krankheit, wie es einem geht. Dieses Wissen in Kombination mit meiner Berufserfahrung will ich zugunsten meiner Teilnehmer einsetzen.« Als Sporttherapeutin sowie Sport- und Gymnastiklehrerin betreibt Birgit Böcker zusammen mit ihrem 39-jährigen Ehemann Oliver seit 2005 die Firma »In Motion«, einen mobilen Service für Bewegungstherapie, Massagen, Personal Coaching und mehr. Zuvor war sie am Klinikum für Rehabilitation in Bad Oeynhausen tätig. Dort wurde sie auch in Onkologie ausgebildet und arbeitete mit Krebspatienten. Dass sie selbst zur Krebspatientin wurde, kam für die Mutter der kleinen Jamie (8) genau so überraschend wie es die meisten Frauen trifft.
In der Weihnachtszeit des Jahres 2005 hatte sie ihren neuen Frauenarzt aufgesucht - zu einer Routineuntersuchung. Der stellte per Ultraschall eine Gewebeveränderung in der linken Brust fest - und zwar dort, wo Birgit Böckers vormaliger Frauenarzt ein Jahr zuvor eine »harmlose Kalkablagerung«, also »nichts Schlimmes«, diagnostiziert hatte. Um sicher zu gehen, ließ sie am 30. Dezember 2005 eine Mammographie über sich ergehen, später eine Kernspintomographie.
»Die Wochen bis zur endgültigen Diagnose waren das Grauen«, sagt die Brackwederin. »Ich war völlig durch den Wind und wusste nur, dass mit mir etwas nicht stimmt. Aber zu keiner Zeit hatte ich Schmerzen und konnte auch selber nichts ertasten.«
Dann kam die Bestätigung aller bösen Befürchtungen. Es schloss sich ein Wust an Untersuchungen an und schließlich die Operation: »Zu dem Zeitpunkt war mir schon fast egal, ob die Brust erhalten bleibt«, sagt sie. »Ich wollte nur weiter leben.« Die Brust wurde gerettet und auch Birgit Böckers Leben. Allerdings folgten harte Bewährungsproben: 20 Wochen Chemotherapie, acht Wochen Strahlentherapie. Eine Hormontherapie dauert bis ins Jahr 2011. Die Brackwederin war mitunter so schwach, dass sie nicht mehr weiterleben wollte. Die Haare gingen aus, am Rollator schleppte sie sich vom Bett zur Toilette. Doch Ehemann und Tochter gaben ihr den notwendigen Rückhalt, mit Sport und Disziplin brachte sie Körper und Geist wieder auf Vordermann.
Heute sprüht die Brackwederin vor Zuversicht, besonders wegen der positiven Resonanz von Seiten vieler betroffener Frauen. Auch krebskranke Männer haben bei ihr inzwischen Interesse an gemeinsamen Sportstunden angemeldet.
Wer Birgit Böcker sprechen oder sich an »Back to life« beteiligen möchte, meldet sich bei ihr unter der Telefonnummer 01 72 / 5 22 04 45 oder im Internet unter »www.inmotion-mobilegesundheit.de«.
Dankbar für das Engagement der früheren Brustkrebspatientin ist auch Karin Schewe, Übungsleiterin im Fachbereich Krebssport. Die 65-jährige Bielefelderin gründete vor fünf Jahren den Verein »Viktoria« (Sportgruppen für Frauen nach Krebs) und trainiert zusammen mit ihrer Kollegin Gudula Ebeling aktuell 100 Frauen in mehreren Kursen am Klinikum Bielefeld-Mitte. Sie sagt: »Eine Kooperation mit Frau Böcker ist ganz im Interesse unserer Teilnehmerinnen. Wir planen, ihr die Leitung einer jüngeren Gruppe zu übertragen.«

Artikel vom 27.01.2007