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Angela Merkel

»Deshalb muss man sich überlegen, was für Folgen es hat, wenn wir Kernkraftwerke abschalten.«

Leitartikel
Putin lässt Vasallen fallen


Ein Stalinist dreht
am Hahn


Von Reinhard Brockmann
Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko, CDU und SPD: Der schnelle Dreh am Ölhahn lenkt den Blick gleich auf zwei Problemfelder. Da lässt ein Kreml-Herr den letzten Vasallen fallen, und die deutsche Außenpolitik hat sich auf den Anfang vom Ende des Regimes in Minsk einzustellen. Innenpolitisch wird soeben ein rot-grünes Glaubensbekenntnis ins fahle Licht einer Lebenslüge gerückt. 30 Prozent Atomstrom ließen sich eben nicht durch intelligente Schaltungen ersetzen, feixen jene, die das immer schon wussten.
Inmitten aller Ratlosigkeit möchte man den fragen, der über die allerbesten Drähte zu Wladimir Putin verfügt, sieben Jahre als Bundeskanzler Energiegipfel erklomm und als stiller Beobachter dieser Tage denken mag: Ihr werdet mir noch dankbar sein für die Ostsee-Pipeline, vorbei an allen anderen unsicheren Kantonisten.
Was zu tun ist, dürfte heute in Brüssel mit dem Energie-Aktionsplan klar werden. Eine vollständige und kompromisslose Problemlösung ist allerdings nicht zu erwarten. Europas Weg zum Klimaschutz trifft die SPD-Linie doppelt: Pro Kernenergie und contra Kohlekraftwerke. Zugleich wird der Anteil erneuerbarer Energien windelweich und kaum in harten Quoten festgeschrieben.
Man müsse auch die Folgen bedenken, wenn man die Kernkraftwerke abschaltet, sagt Angela Merkel und formuliert nichts anderes als Unwohlsein über ihren eigenen Koalitionsvertrag. Der sieht schließlich feste Restlaufzeiten vor. Von SPD und Grünen muss sich die Kanzlerin zudem vorhalten lassen, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Schließlich habe Öl nichts mit dem Lichtstrom aus den Kernreaktoren zu tun. Komisch: Alle reden vom Energie-Mix, jetzt soll Trennkost gelten.
Gottlob ist der Ölpreis gestern nicht gestiegen, sondern weltweit gefallen. Nicht die Blockade der »Druschba«-Pipeline, sondern der milde Winter in Nordamerika hat dazu geführt. Das erlaubt im Umkehrschluss allerdings die Frage, was wohl geschieht, wenn es doch noch richtig Winter wird, hierzulande und anderswo.
Neben Deutschland und Polen sind inzwischen auch Tschechien, Ungarn und die Slowakei vom russisch-weißrussischen Bruderzwist betroffen. Die Slowakei ist bei Ölimporten vollständig von den russischen Lieferungen abhängig. Die Vorräte des Landes sollen bis zu 80 Tage reichen. Von diesen Staaten dürfte in den kommenden Wochen der Druck auf die deutsche EU-Ratsvorsitzende Merkel steigen, politisch aktiv zu werden. Viel kann sie nicht tun.
Im Konflikt Minsk-Moskau geht es darum, alte Privilegien aufzuheben. Der zwei Minuten vor dem Jahreswechsel gerade noch abgewendete Gasstreit ist in einen kleinen Ölkrieg umgeschlagen. Alt-Stalinist Lukaschenko, der noch in Fünf-Jahres-Plänen wirtschaftet, dürfte den Konflikt nicht überstehen. Putin ist reicher, mächtiger und hat ihn satt. Lange hatte der Weißrusse den Traum von einer neuen, alten UdSSR gepflegt. Beim Öl hört der Spaß jetzt auf. Das große Geld geht vor.
Und das bezahlen wir.

Artikel vom 10.01.2007