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Bakterien ersetzen Frau Holle

Zusatzstoffe machen Kunstschnee bei hohen Temperaturen möglich

Von Dietmar Kemper
Kempen (WB). Weil die weißen Flocken ausbleiben, sollen Bakterien dazu verhelfen, Kunstschnee auch bei hohen Temperaturen zu erzeugen. Vier schweizer Kantone testen das Bakterium »Pseudomonas syringae«. Bayern und Österreich haben dagegen Skrupel.

Nach Angaben der Vertreiberfirma »Snomax« aus dem englischen York löst das in der Zellmembran des Bakteriums »Pseudomonas syringae« enthaltene Protein die Eiskristallisation aus, und dies bei Temperaturen, wo Wasser ohne Zusatz nicht gefrieren würde. Künstliche Beschneiung durch Kanonen funktioniert bei -4 bis -2 Grad Celsius. Bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt soll Snomax helfen, hoffen Kantone wie Wallis und Graubünden. »Ski-Gebiete stemmen sich gegen die Natur, das ist der nächste Schritt der Anpassung an den Klimawandel«, sagte Thomas Frey von der deutschen Sektion der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA in Kempen dieser Zeitung.
Das künstliche Beschneien nehme »rasant zu«, kritisiert die Vereinigung, der der Deutsche Alpenverein, die Bergwacht und der Bund Naturschutz angehören. In Österreich seien Schneekanonen bereits auf der Hälfte der Ski-Pisten im Einsatz, in Bayern auf 400 der 2400 Hektar, sagte Thomas Frey. Die bayerische Staatsregierung habe 2,44 Millionen Euro für Kunstschnee zur Verfügung gestellt. In Deutschland und Österreich würden Bakterien noch nicht eingesetzt, weil es keine verlässlichen Studien über die Folgen für die Vegetation gebe.
Ein Gebiet gilt als schneesicher, wenn an 100 Tagen im Jahr Skifahren möglich ist und der Boden mit mindestens 20 bis 25 Zentimeter bedeckt ist. Weil die Temperatur in den Alpen in den vergangenen 120 Jahren nach Angaben der Professorin Helga Kromp-Kolb von der Universität für Bodenkultur in Wien um 1,6 bis 2 Grad Celsius stieg, ist dies seltener der Fall. Entsprechend setzen die Wintersportgebiete Hoffnung in die Erforschung von Bakterienstämmen, die die Frostbildung unterstützen.
Gletscherflächen würden zudem mit reflektierenden Plastikfolien vor dem Schmelzen geschützt, hat CIPRA beobachtet und kritisiert massive Eingriffe in Natur und Landschaft. Die Wiener Professorin Kromp-Kolb weist darauf hin, dass Schneekanonen extrem viel Energie verbrauchten, daher teuer seien und »bestenfalls eine Übergangslösung sein können«. Weil die Zahl der Ski-Touristen stagniere, werde sich sehr schnell »die Frage der Wirtschaftlichkeit stellen«. Thomas Frey von der deutschen CIPRA rät den Landratsämtern zu »naturbelassenem Tourismus«. Frey: »Erhebungen in Oberbayern haben gezeigt, dass nur 20 Prozent der Touristen nur zum Fahren kommen.« Werde das Wandern als Alternative hervorgehoben, würden Schneekanonen oder Bakterien weniger wichtig.

Artikel vom 10.01.2007