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Brand hat seinen Puls im Griff

Der Bundestrainer und die Handball-Auswahl sind am Ammersee

Von Oliver Kreth
Herrsching (WB). In acht Tagen beginnt in Berlin die Handball-Weltmeisterschaft mit dem Eröffnungsspiel in der Max- Schmeling-Halle gegen Brasilien. Derzeit bereitet Heiner Brand am Ammersee die deutsche Mannschaft auf den Start vor. Und trotz der zahlreichen Verletzten hat der Bundestrainer seinen Humor nicht verloren.

Auf die Frage, was derzeit sein Puls macht, antwortete der berühmteste Schnauzbart der Republik gestern gelassen: »Zur Zeit geht es. Am Dienstag waren es 160. Aber da war ich auch auf dem Crosstrainer.« Die Fitness und die Gesundheit seiner Spieler sind es, die dem Weltmeister von 1978 Sorgen machen. Aber auch da gilt das Prinzip Hoffnung. Lediglich Oleg Velyky hat er für die Vorrunde ein bisschen abgeschrieben.
Auch da versuchte es der Gummersbacher mit einem Witz: »Mir fehlt derzeit selber ein bisschen der Überblick über die Lage im Lazarett. Wir sind mit 20 Mann nach Herrsching gereist, mit 14 plus einem Nachnominierten sind wir nach Ungarn gefahren. Und derzeit habe ich im Training zwölf Feldspieler zur Verfügung.«
Dass ein Geist von Herrsching entsteht, gründet auch auf den Erkenntnissen aus den zwei Länderspielen gegen Ungarn. Brand: »Die Ergebnisse gegen den Olympia-Vierten haben mich sehr beeindruckt. Wie die Mannschaft da gekämpft hat, aber auch gespielt, und wie sie sich in den entscheidenden Situationen gewehrt hat.«
Schlecht für das deutsche Team: Dadurch, dass viele wichtige Spieler im normalen Training (drei Einheiten stehen täglich auf dem Programm, der Tag beginnt um 7 Uhr mit einer freiwilligen Laufeinheit) fehlen, leidet die Feinabstimmung in Angriff und Abwehr. Aber auch da bewahrt Brand die Ruhe. »Diese Jungs wissen ja, was wir spielen. Seit Jahren steht das Repertoire, das wir allerdings in diesem Jahr bei der Weltmeisterschaft um zwei, drei Dinge erweitern wollen. Aber auch das haben die Jungs seit dem Sommer schriftlich. Und bei allen Verletzten handelt es sich nicht um Nationalmannschaftsfrischlinge.«
Apropos Frischlinge. Ein Oldie könnte bei der Heim-WM doch noch zum Einsatz kommen. Allerdings nur, wenn sich die Situation am Kreis nicht verbessert. »Bis dahin wollen wir den Heilungsverlauf abwarten«, erklärte Brand. Werden Andrej Klimowets und Sebastian Preiß bis zum 19. Januar nicht wieder fit, wird Brand Christian Schwarzer reaktivieren. Was er schon mal gestand: Es wurde telefoniert. Aber »da haben wir nur so gequatscht.« Bedenken über die Einsatzfähigkeit des 37-jährigen Lemgoers hat der Bundestrainer nicht: »Bei so einem Klassemann wie Christian muss ich da keine Sorgen haben.« Auch nicht, obwohl er die Vorbereitung nicht mit gemacht hat? »Bei einem älteren Athleten muss das kein Nachteil sein. Es kann sich sogar positiv auswirken. Weil er so frischer ist.«
Nach dem Ende der WM will sich Heiner Brand auf die Suche nach dem Verletzungsbazillus machen. Auch wenn er bekanntlich grundsätzlich für eine Reduzierung der Belastung für die Spieler ist, sieht er darin auch häufig eine Ausrede. »Aber es ist schon auffällig, dass bei uns die Zahlen - ja leider auch vor dieser WM - deutlich höher sind als bei anderen Nationen. Wir müssen das Thema ernsthaft angehen.«
Nicht in der Schublade als Motivationshilfe für die Verletzten und die Gesunden hat Brand den Geheimplan, ein Video von der WM 1978 zu zeigen. als Deutschland mit ihm den Titel gewann. »Als Trainer sollte man nicht den Fehler machen, von alten Taten zu erzählen.« Außerdem habe man damals auch Glück gehabt. Zudem sei der Handball mit dem von 2007 nicht vergleichbar. Das Ziel aber doch: Möglichst weit kommen, mit welchen Spielern auch immer. Und ein bisschen auch dank des Geistes von Herrsching.

Artikel vom 11.01.2007