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Spiele auf dem Prüfstand
Unabhängige Gutachter veranlassen USK-Alterskennzeichnung
Nach dem Amoklauf an einer Schule in Emsdetten wird wenige Jahre nach der jüngsten Verschärfung des Jugendschutzes über ein Verbot von Computerspielen wie »Counterstrike« diskutiert. Allerdings hat Deutschland bereits heute die verbindlichsten Regeln bei der Prüfung und beim Verkauf von Computerspielen.
Bayern will ein Verbot gewaltverherrlichender Killerspiele über den Bundesrat durchsetzen. Durch eine Änderung des Strafgesetzbuches sollen Produktion und Vertrieb dieser Spiele verboten werden. Diese Idee wurde nicht erst nach dem Amoklauf in Emsdetten geboren, bereits seit der Tragödie von Erfurt ist ein Verbot im Gespräch.
Die Alterskennzeichnung von Computerspielen ist bereits heute eine Aufgabe der Jugendministerien der Länder. Sie nutzen Erfahrung und »Gewusst wie« der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK).
Die USK ist angesiedelt beim Förderverein für Jugend und Sozialarbeit e. V. (fjs). Sie sammelt und dokumentiert mit Partnern auch die jährlich etwa 1000 neuen Computerspielproduktionen im Rahmen des größten Europäischen Archivs für Computerspiele, der Datenbank zavatar.de und des Computerspielemuseums.
Diese Aufgaben haben der USK auch Kritik eingebracht. Die enge Zusammenarbeit mit der Spieleindustrie wird misstrauisch beobachtet, unter anderem von Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), der massiv Kritik an der USK übt. Pfeiffer tritt allerdings nicht für ein mit Strafandrohung verbundenes Verbot der Spiele ein.
Wie prüft die USK? Über die Grundsätze der Prüfung von Computerspielen entscheidet ein Beirat, der sich aus 18 Vertretern gesellschaftlich bedeutsamer Gruppen zusammensetzt. Darunter sind die Kultusministerkonferenz, die Kirchen, die Jugendverbände, die Forschung, der Bund und die Jugendminister der Länder. Die Branche selbst hat zwei Stimmen. Alle Entscheidungen müssen die Billigung der Jugendminister der Länder finden.
Jedes der 16 Bundesländer kann zudem ein Verfahren zum gekennzeichneten Titel wieder aufnehmen (Appellation). Dies war seit Inkrafttreten des Jugendschutzgesetzes (JuSchG, April 2003) noch nicht der Fall. Auch Niedersachsen und Bayern, die Initiatoren des »Killerspiel-Verbotes«, haben davon keinen Gebrauch gemacht.
Die Tester erhalten alle komplexen Titel und solche mit besonderer Relevanz für den Jugendschutz bereits Tage vor der eigentlichen Prüfung. Die Spieletester verfügen über Lösungshilfen und viele Zusatzinformationen des Anbieters. Sie verfassen eine neutrale Spielebeschreibung, die den Prüfenden im Gremium später den Einstieg in das Spiel erleichtert.
Sie geben keine Altersempfehlung ab. Sie spielen den Titel, speichern Spielstände, bereiten eine Gesamtpräsentation des Spiels vor. Anschließend übergibt die USK den Prüfauftrag an ein Gutachterteam.
Die Gutachter sind unabhängig. Sie haben z.B. als Pädagogen, Journalisten, Sozialwissenschaftler oder Mitarbeiter in Jugendämtern Erfahrung in der Kinder- und Jugendarbeit, sind am interaktiven Medium interessiert und weder in der Hard- noch der Softwareindustrie beschäftigt.
Bei der USK wird gespielt - jeder Titel. Dieses Verfahren ist weltweit einmalig. Alle Gutachtenden haben jederzeit die Möglichkeit, selbst in ein Spiel einzusteigen.
Am Ende müssen sie das Spiel in eine der fünf Altersgruppen des Jugendschutzgesetzes einstufen und die Entscheidung in einem Gutachten begründen. Es ist auch möglich, einem Spiel das Alterskennzeichen zu verweigern, wenn vermutet wird, dass es Kriterien der Jugendgefährdung (gemäß §15 JuSchG) erfüllt.
Die Obersten Landesjugendbehörden (OLJB) haben einen Vertreter benannt, der bei jeder Prüfung mitwirkt. Am Ende empfiehlt das Gremium eine Altersfreigabe, gegen die der Jugendamtsvertreter ein Veto einlegen kann. Wenn der Antragsteller nicht in Berufung geht und so eine erneute Prüfung auslöst, erhält das Spiel sein Kennzeichen durch den ständigen OLJB-Vertreter bei der USK. Jedes Spiel darf nur gemäß der Altersfreigabe zugänglich gemacht werden. Händlern, die gegen diese Regelungen verstoßen, drohen Strafen bis 50 000 Euro.
Letztlich aber müssen Eltern entscheiden, was zu Hause gespielt wird. Informationen zu allen geprüften USK-Titeln werden unter www.usk.de tagesaktuell angeboten. Viele weitere Informationen finden sich auf der Homepage www.zavatar.de.
Thomas Lunk

Artikel vom 20.01.2007