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Die Queen und der
Tod von Lady Diana

Zerreißprobe für das britische Königshaus

Die echte Queen schweigt. »Zu Werken der Kunst äußert sich Ihre Majestät grundsätzlich nicht öffentlich«, lautet die standardisierte Antwort aus dem Buckingham-Palast. »Sie überlässt die Einschätzung stets dem Publikum.«

Was Elizabeth II. von dem Spielfilm »Die Queen« hält, in dem sie von einer wahrhaft majestätischen Helen Mirren als umstrittene und verunsicherte Monarchin dargestellt wird, hat die 80-Jährige Königin bestenfalls ihren engsten Vertrauten mitgeteilt. Kein Wunder, denn als der Film im September in Großbritannien anlief, richtete sich das Interesse der Öffentlichkeit rasch auf ein Thema von staatstragender Bedeutung: Wollte Elizabeth II. im Spätsommer 1997 abdanken? Ausgelöst durch den Film von Regisseur Stephen Frears, fragen sich gut neun Jahre nach dem Unfalltod der Prinzessin Diana am 31. August 1997 viele Briten, ob die Queen damals ernsthaft eine so spektakuläre Reaktion auf die Trauer und den Unmut ihres Volkes erwog.
Die volksnahe Zeitung »Daily Mail« bescheinigte dem Film, er veranschauliche »dramatisch, wie die Ereignisse nach dem Tod Dianas zur Zerreißprobe für die königliche Familie wurden.« Inzwischen hat sich die Aufregung gelegt. Sonderermittler von Scotland Yard haben nach dreijährigen Recherchen kurz vor Weihnachten die Behauptung des ägyptischen Millionärs Mohamed Al Fayed ad absurdum geführt, der Unfall, bei dem Diana und sein Sohn Dodi umkamen, sei auf königliches Geheiß von den Geheimdiensten inszeniert worden.
Die Filmemacher hingegen haben die Frage »Unfall oder Mord?« wohlweislich ausgeklammert. Stephen Frears, der allein schon dank »Mein wunderbarer Waschsalon« (1985) als einer der bedeutendsten Regisseure des »Neuen Britischen Kinos« galt, widerstand bei dem Diana-Stoff jeder Versuchung, einen Thriller zu drehen. Hochdramatisch ist der Film dennoch - immerhin geht es um keine geringere Frage, als diese: Hat Elizabeth II. im Angesicht des Todes von Diana als Monarchin versagt oder nicht?
Viel zu lange, so lautete seinerzeit der Vorwurf in britischen Medien, habe die Queen sich auf Schloss Balmoral in Schottland versteckt, während in London Hunderttausende öffentlich um Diana, um ihre »Königin der Herzen« weinten. Rasch trat damals ein, was der Hofkorrespondent und Diana-Vertraute James Whitaker noch in der Nacht des Unfalls prophezeite: »Prinzessin Diana wird durch ihren Tod zur Heiligen.« Tony Blair, der gerade nach einem Erdrutsch-Wahlsieg der Labour-Partei Premierminister geworden war, nannte Diana, noch ehe das Königshaus reagierte, »die Prinzessin des Volkes«.
In der Schlüsselszene des Films berät sich Elizabeth II., glänzend gespielt von Helen Mirren, die als Anwärterin auf den »Oscar« gilt, im Garten von Schloss Balmoral mit ihrer greisen Mutter. »Wenn man sein eigenes Volk nicht mehr versteht, dann ist vielleicht die Zeit für die Übergabe an die nächste Generation gekommen«, sagt sie da. Die Szene sei das Ergebnis akribischer Recherchen am Hof, versicherte Drehbuchautor Peter Morgan. Dies gelte auch für die Antwort der Queen Mum (Sylvia Syms), die Elizabeth II. rät, sich von »diesem affigen Mr. Blair mit seinem Grinsen einer Cheshire-Katze« nicht einschüchtern zu lassen.
Als der Film-Blair (Michael Sheen) der Film-Königin telefonisch rät, sich umgehend dem Volk zu zeigen, erwidert sie: »Wenn Sie glauben, ich komme nach London, ehe ich mich um meine Enkelkinder [die Prinzen William und Harry; d.Red.] gekümmert habe, die gerade ihre Mutter verloren haben, dann täuschen Sie sich. Ich bezweifle, dass irgendjemand das britische Volk besser kennt als ich, Mr. Blair, und auch, dass irgendjemand mehr Vertrauen in seine Weisheit und Urteilsfähigkeit hat.«

Artikel vom 11.01.2007