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Lila nicht als letzter Versuch

Junge Polstermöbel-Käufer mögen es knallig bunt -ĂŠPrunk oder Purismus

Von Bernhard Hertlein
Köln (WB). Lila ist die Farbe katholischer Bischöfe und der Frauenbewegung, die Farbe des Nachthimmels am Beginn der Morgendämmerung und die Farbe der Buße, des »letzten Versuchs« - und ganz aktuell die Modefarbe der neuen Polstermöbel.
Manche mögen Prunk.

Schon seit einiger Zeit geht ein Trend hin zu auffälligen, ja knalligen Farben. Manche werden sich erinnern: Alles schon mal da gewesen. In den bewegten Sechzigern konnten Tapeten und Polstermöbel nicht bunt genug sein. Und genau wie damals kommen nun auch die runden, organischen Formen zurück, die Kreise, Spiralen und großen Blumen.
Und noch etwas erinnert an die »golden Sixties«. Damals provozierte die Jugend, indem sie, statt den Rücken kerzengerade zu halten, einfach so herum lümmelte. Die heutigen riesigen Sofalandschaften sind allerdings keine Provokation mehr, sondern einfach nur sehr bequem. Nur bleiben sie vorerst - außerhalb von Hotels und Diskotheken - den betuchten Bevölkerungsschichten vorbehalten. In Wohnungen mit einer Durchschnittsgröße von 40 Quadratmetern pro Person ist für Lümmel- und Kuschel-Sofas kein Platz. Da ist den heutigen Bauherren und Architekten nach Angaben von Dirk-Uwe Klaas, Hauptgeschäftsführer sowohl des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie als auch des Verbandes der Deutschen Fertigbauer, eine große Wohnküche doch noch wichtiger als ein überdimensionierter, neudeutsch so genannter »Living Room« (Wohnzimmer).
Die Kölner Messegesellschaft hat vor der am kommenden Montag beginnenden internationalen Möbelmesse die sechs Designer Tom Dixon, Eero Koviosto, Stephen Burks, Chris Lefteri, Sophie Lovell und Inga Sempe nach den aktuellen Möbeltrends gefragt. Herausgekommen sind vier Grundströmungen, die natürlich alle englische Namen tragen:
»Heriloom Culture« beschreibt dabei die Neigung, der schnelllebigen Zeit langlebige Werte entgegenzustellen. Erbstücke und Antiquitäten - wirkliche oder nachgeahmte - stehen im Mittelpunkt dieses Trends.
»New Hybrids« beschreibt das Bestreben, die Technik im Möbel verschwinden zu lassen. Die Hifi-Anlage wird in das Sofa, die Leuchte in die Schrankoberfläche integriert. Als Farbe dominiert hier Weiß.
Lümmelige SofaLandschaften fallen unter den dritten Trend: »Size Matters«. XXL ist nicht genug. Die Volumen sind aufgepumpt, die Farben bunt und krass. Riesige Lampen und lebensgroße Pferdestatuen - das ist vor allem der Stil der MTV-Generation.
Dem entgegengesetzt positioniert sich der vierte Trend: »Design as Art«. Massengeschmack und Massenfertigung sind für die Anhänger dieser Moderichtung tabu. »Möbel werden nicht wegen ihres Komforts geschätzt, sondern weil sie ein Unikat sind«, erklärten die Designer. Dabei sei es den neuen Puristen egal, ob es sich um eine wertvolle Einzelanfertigung oder um ein Fundstück von der Straße handele.
Ein Trend freut die Möbelbranche besonders: Den Bundesbürgern wird das traute Heim immer wichtiger. Bei den Ausgaben für langlebige Konsumgüter haben Möbel hinter Urlaub und Freizeit sogar das Automobil überholt.

Artikel vom 10.01.2007