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Drei Brüder aus
Senne - seit 90
Jahren vermisst

Männer sollen sich bei Gericht melden

Von Annemargret Ohlig
Senne/Dornberg (WB). Emil Vormfenne aus Senne war ein sparsamer und vorsorgender Mann. Also legte er ein Sparbuch an - von dem seine Verwandten allerdings nichts wussten. Als der kinderlose Witwer 1992 in Brackwede starb, gab es das Buch immer noch - nur Geldbewegungen fanden dort logischerweise nicht mehr statt. Weshalb die Sparkasse vor zwei Jahren dann eine Nachlassverwalterin beauftragte, um nach Erben zu suchen.

»Damit begann eine Geschichte, die eigentlich nicht so ganz zu verstehen ist«, sagt Karin Semder, geborene Vorfenne (63), eine Nichte des Verstorbenen. Denn: Um tatsächlich alle Erben des Verstorbenen ausfindig zu machen, forderte das Amtsgericht jetzt unter »Sonstige Bekanntmachungen« im WESTFALEN-BLATT Emil Vorfennes drei Brüder sehr ernsthaft auf, sich bis zum 23. Februar dieses Jahres beim Amtsgericht in Bielefeld zu melden. Andernfalls würden sie für tot erklärt.
Wissen muss man dabei eines: Die Brüder sind als junge Männer bereits im Ersten Weltkrieg verschollen. Friedrich Heinrich Vormfenne, geboren am 1. Januar 1894, wird seit 1917 vermisst, Heinrich, geboren am 22. September 1895, wird seit 1918 in Flandern vermisst, und von Wilhelm, geboren am 2. August 1898, gibt es seit 1917 ebenfalls kein Lebenszeichen mehr.
»Wie soll sich jemand melden, der heute 113 Jahre oder nur unwesentlich ÝjüngerÜ wäre«, meint Karin Semder leicht amüsiert. Die 63-Jährige und zwei weitere Nichten sowie ein Großneffe und eine Großnichte sind von der Nachlassverwalterin als erbberechtigt ausfindig gemacht worden. Das kleine Erbe können sie allerdings erst antreten, wenn die drei vermissten Brüder Emil Vormfennes offiziell vom Gericht für tot erklärt wurden. Das ist bisher jedoch nicht geschehen.
»Meine Großmutter, die mit ihrer Familie an der Wilhelmsdorfer Straße in der Nähe der Firma Windel wohnte, hatte acht Söhne und eine Tochter«, erzählt Karin Semder. Ihr Vater Walter, der im Dezember 1944 in Italien gefallen ist, war eines dieser Kinder, ebenso der verstorbene Onkel Emil - und die drei verschollenen Brüder. An die Möglichkeit, ihre ältesten Söhne hätten den Ersten Weltkrieg vielleicht überlebt und würden eines Tages doch noch zurückkehren - schließlich waren sie »nur« vermisst - habe die Großmutter über viele Jahre geglaubt.
»Die Hoffnung stirbt immer zuletzt«, sagt Karin Semder. Deshalb ließ Mutter Vormfenne ihre Söhne auch niemals für tot erklären. Das soll nun geschehen - um die Sache zu beenden. Auf Anraten der Rechtspflegerin hat die 63-Jährige im Sinne aller Erben bei Gericht diesen Antrag gestellt - und damit die bizarr wirkenden »Bekanntmachung« ins Rollen gebrachte. Die Möglichkeit, dass Friedrich Heinrich, Heinrich oder Wilhelm Vormfenne vielleicht Kinder oder Enkel gehabt haben könnten, ist wenig wahrscheinlich. Das glaubt nicht nur die Antragstellerin, sondern auch das Gericht. Letzte Lebenszeichen von ihnen gab es, als sie 23 beziehungsweise 19 Jahre alt waren.

Artikel vom 09.01.2007