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Kann man dieser »Steuer-Krake« Herr werden?

Auskunftsgebühr: »Waffensouveränität« zwischen Finanzverwaltung und Steuerzahler verschoben


Zum Thema: »Finanzämter verlangen Bearbeitungsgebühr«
In letzter Minute, sozusagen durch die Hintertür ist ein merkwürdiger Passus in das Jahressteuergesetz 2007 geraten, der zu einem Einfallstor für weitere Begehrlichkeiten unseres vielbeschworenen »starken Staates« verkommen könnte: Die Steuerpflichtigen werden für verbindliche Auskünfte des Finanzamts zur Kasse gebeten, mitunter kräftig.
Bislang konnte jeder Steuerzahler beim Finanzamt kostenlos um eine verbindliche Auskunft über seine schriftlich darzulegende steuerliche Planung ersuchen. Dieser formal streng geregelte »Service« war gute Übung und letztlich eine wertvolle Stütze für den Rechtsfrieden. Den Steuerzahlern nunmehr die Kosten für eine verbindliche Auskunft, dazu in nicht nachvollziehbarer Höhe (!) aufzuerlegen, dürfte jedoch einer ungerechtfertigten Bereicherung gleichkommen, die nach meiner Überzeugung umgehend zurückgenommen werden müsste.
Hierzu zwei Aspekte: Die Steuerzahler erbringen bereits heute mit erheblichem wirtschaftlichen und technischem Aufwand unbezahlte Hilfsdienste: ausladende, jahrelange Aufbewahrungspflichten für Belege aller Art, das Ermitteln, Erklären und Abführen von Lohn- und Umsatzsteuern, Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosen-Versicherungsbeiträgen und sonstiger Verbrauchssteuern - und das alles höchst zuschlagsbeschwert im Fall einer noch so geringen Fristüberschreitung.
Fast alle im Land, Unternehmen, Banken, Tankstellen und Rentenversicherungsträger usw. sind mittlerweile so flächendeckend und gründlich digitalisiert, dass selbst ein einsamer Wanderschäfer die Erfindung »Elster« nicht mehr zuerst als einen Raubvogel, sondern vielmehr als Computer-Programm zum Abschöpfen von Steuern begriffen hat. Wäre es angesichts großer Bringschulden aller Steuerbürger aber nicht geradezu selbstverständliche Pflicht das Staates, sich mit gutem Rat und Tat kostenlos zu beteiligen, und zwar hilfsbereit und vorbehaltlos?
Wenn man sich zudem bewusst macht, dass unsere Religionsgemeinschaften stattliche Gebühren für den staatlichen Kirchensteuer-Inkasso-Service zahlen müssen, sei die Frage erlaubt, wie zweifelhaft und selbstherrlich sich unsere Politiker zur »Gemeinschaftsaufgabe Steuer« bekennen.
Ein weiterer Punkt: Deutschland ist das Land mit der umfassendsten Steuerliteratur und einer der mächtigsten Steuerverwaltungen, aber mit einem so unsystematischen Recht, dass mancher ernstzunehmende Staatsrechtler dieses als »Unrechts-System« bezeichnet.
Um die richtige Blickrichtung beizubehalten: Nicht die Bürger verlangen nach noch mehr Steuer-Stiftung, sondern der Gesetzgeber selbst ist es, der in seiner Regelungswut durch immer mehr und immer komplexere Detailvorschriften dafür sorgt, dass sich viele Steuerberater ernsthaft und besorgt fragen, ob man dieser »Steuer-Krake« überhaupt noch Herr werden kann. Darf der Gesetzgeber angesichts dieser als unorganisch und unzulänglich empfundenen steuerlichen Zwangslage - und egal für welche »Finanzamtsauskünfte« auch immer - künftig von seinen um Korrektheit bemühten Bürgern im wahrsten Sinne des Wortes noch »Honorare« erheben? Ist der Einstieg in die neue Gebührenwelt erst einmal geschafft, bietet beispielsweise die bürgerfreundliche Praxis in unseren Rathäusern genügend Kreativpotential für weitere Gebührengestaltungen. . . 
Sieht man die jetzige Gebührenerhebung im Zusammenhang mit dem zu Jahresbeginn gänzlich gestrichenen Sonderausgabenabzug selbst für elementar notwendige Steuerberatungsleistungen, sind beide Maßnahmen im Kern darauf angelegt, die bereits aktuell stark staatslastige »Waffensouveränität« zwischen Finanzverwaltung und Steuerzahler weiter zu verschieben. Ein Schelm, der fragt, in welche Richtung wohl?
Bei so viel falsch verstandenem »Schlupfloch-Stopfen« und gründlich missratenem »Subventionsabbau« sollten sich die verantwortlichen Politiker nicht wundern, dass sich die Bürger verständnislos von ihnen abwenden. Steuer-Staat, quo vadis?
LUDGER WEEG33378 Rheda-Wiedenbrück

Artikel vom 15.01.2007