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Benebelt am Steuer
Erkältungsmedizin schränkt Fahrtüchtigkeit ein - im Zweifel das Auto lieber stehen lassen
Bielefeld (WB/lak). Triefende Nase, Husten und der Kopf dröhnt - die Zeit der Erkältungskrankheiten ist längst da. Oft fehlt die Zeit für den Gang zum Arzt und der Griff zu den schnellen Helferlein ist leicht. Doch gerade die vermeintlich harmlosen Mittel können zu Müdigkeit und verzögerten Reaktionen führen, was im Straßenverkehr zu einer großen Gefahr werden kann. »Die Beeinträchtigungen sind bei jedem Menschen unterschiedlich. Und doch sollten die Patienten Warnungen der Experten sehr ernst nehmen«, sagt Dr. Horst-Lothar Müller, Vorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe.
Der TÜV Rheinland hat Autofahrern zur Vorsicht bei Erkältungs-Medikamenten geraten. »Selbst harmlose Arzneimittel wie Nasentropfen oder Hustensaft können die Fahrtüchtigkeit einschränken«, erklärt Christiane Weimann-Schmitz, verkehrsmedizinische Gutachterin bei der TÜV Rheinland Group in Köln.
Je nach körperlicher Verfassung und Dosierung können die Konsequenzen Müdigkeit, Sehstörungen, aber auch aggressives Verhalten und nachlassende Aufmerksamkeit sein - mit möglicherweise fatalen Folgen. »Gerade Autofahrer müssen sich im Straßenverkehr voll konzentrieren, um in gefährlichen Situationen blitzschnell zu reagieren«, sagt die Expertin.
Zahlreiche Grippemittel kombinieren vielfach mehrere Wirkstoffe. Dextrometorphan und Anthistaminika, die beide müde machende und dämpfende Nebenwirkungen haben können, sind oft gemeinsam in Hustenblockern und Erkältungsmitteln enthalten. Apothekerverbände warnen vor der Einnahme, wenn sich der Patient noch ans Steuer setzen muss, denn die Dosierungen bedeuten im Straßenverkehr eine deutliche »Gefährdung der Sicherheit«.
Reaktion, Wahrnehmung und Aufmerksamkeit sind nach Stichproben des TÜV vielfach um 20 Prozent vermindert. Im Stadtverkehr bedeutet allein die verzögerte Reaktion einen Unterschied von drei Metern, bis das Auto zum Stehen gebracht werden kann.
Doch leider halten sich etwa 80 Prozent der Fahrer, die Medikamente einnehmen, noch für durchaus fahrtüchtig. Ein Trugschluss, denn rund ein Fünftel der Medikamente, die sich derzeit auf dem Markt befinden, können das Reaktionsvermögen einschränken. Und jeder vierte Unfall lässt sich direkt oder indirekt auf die Einnahme von Tabletten, Tropfen oder Zäpfchen zurückführen.
Aufklärung ist daher das entscheidende Stichwort. Der Patient sollte sich umfassend vom Apotheker oder Arzt über Wirkweise und Konsequenzen der jeweiligen Medikamente informieren lassen. »Es ist die Hauptaufgabe des Apothekers, dem Patienten die notwendigen Informationen zu liefern. Wir weisen immer auf die mögliche Beeinträchtigung durch ein entsprechendes Medikament hin«, sagt Dr. Horst-Lothar Müller, Vorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe. Gerade bei Kombipräparaten und Hustenstillern können die Nebenwirkungen direkt bei Behandlungsbeginn besonders stark sein. Zusätzlich sollte immer der Beipackzettel genau gelesen werden. Dort muss auf eine Verminderung der Fahrtüchtigkeit hingewiesen werden. »Alternativen, wie zahlreiche homöopathische Mittel, lassen sich fast immer finden«, weiß der Experte.
Und im Zweifel gilt: Lieber den fahrbaren Untersatz stehen lassen! Denn falls ein Unfall darauf zurückzuführen ist, dass die Sicherheit durch ein Medikament herabgesetzt wurde, schützt Unkenntnis vor Gericht nicht. Wer Medikamente einnimmt handelt fahrlässig, wenn er sich nicht über deren Wirkung informiert.

Artikel vom 12.01.2007