08.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

FDP gibt sich als Anwalt
»der vergessenen Mitte«

Westerwelle präsentiert sich voller Selbstbewusstsein

Stuttgart (dpa). Kraftstrotzend und voller Selbstbewusstsein präsentierte sich die FDP bei ihrem Dreikönigstreffen in Stuttgart gut ein Jahr nach der Bundestagswahl.

»Opposition ist nicht Mist«, bilanzierte FDP-Chef Guido Westerwelle die Rolle seiner Partei als stärkste Oppositionskraft. Er erntete dafür großen Beifall im voll besetzten Stuttgarter Opernhaus.
Gestärkt von stabilen Umfragewerten von mehr als 10 Prozent setzte Westerwelle seiner Partei neue Ziele: »Wir wollen Anwalt der vergessenen Mitte sein.« Mit dem Vorurteil, die FDP sei gleichsam eine Ansammlung »neoliberaler Staatsgegner«, müsse Schluss sein. SPD-Parteichef Kurt Beck nahm die Botschaft mit Interesse zur Kenntnis. Er bot der FDP Gespräche an.
Die Rechnung des FDP-Chefs ist allerdings eine andere. Die Bindungswirkung der Volksparteien lässt nach. »Das ist kein demokratisches Unglück, sondern ein Zeichen demokratischer Reife«, sagt Westerwelle. Die FDP müsse deshalb neue Bevölkerungskreise ansprechen. Am besten - wie es FDP-Generalsekretär Dirk Niebel in Stuttgart vorgab - das Drittel der Wähler, das unter dem Eindruck der großen Koalition laut Umfragen nicht mehr weiß, wen es wählen soll.
Westerwelle glaubt nach wie vor, dass die FDP in einer Koalition mit der Union besser fährt als etwa in einem Dreier-Bündnis mit SPD und Grünen. So ging er mit den »Reformbremsern« der Koalition scharf ins Gericht. Seine Duz-Freundin und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) griff er aber nicht frontal an.
Die neue Offenheit der FDP in sozialen Fragen lag Westerwelle besonders am Herzen. »Ich lasse mir nicht länger von der politischen Linken sagen, was soziale Politik ist«, wetterte der FDP-Chef. »Sozial ist nicht staatliche Umverteilung. ..., sondern die Hinwendung des Menschen zum Menschen.« Konkreter wurde Westerwelle dabei allerdings nicht. Dafür verurteilte er für FDP-Verhältnisse ungewöhnlich direkt Manager, »die ihre Belegschaften aus den Augen verloren haben«. Das sei »Verleumdung von sozialer Marktwirtschaft«.
Die Rolle als Mann fürs Grobe übernahm vor allem aber der FDP-Generalsekretär bei seiner Dreikönig-Jungfernrede. Die Übermacht von Schwarz-Rot führe »zu einer lupenreinen Polit-Oligarchie«, schimpfte Dirk Niebel. Realität der Regierungsarbeit sei: »Schönreden, aussitzen und abkassieren.«
So war dieses Dreikönigstreffen für die FDP gewissermaßen ein politisches Luftholen für die Zeit Ende 2007 und vor allem 2008. Viele in der Parteispitze glauben, dass nach den deutschen Präsidentschaften in der EU und der G8-Industriestaaten das Reservoir an Gemeinsamkeiten in der großen Koalition rasch zu Ende sein wird. »Wir Liberale kämpfen weiterhin für einen Politikwechsel«, rief Westerwelle in Stuttgart aus. Sein ausdrückliches Ziel ist es, Chef einer Regierungspartei zu werden.

Artikel vom 08.01.2007