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Der Walzerkönig hält Hof in Bielefeld

André Rieu und sein Orchester begeistern mehr als 3000 Besucher in der Seidenstickerhalle

Von Uwe Koch
und Carsten Borgmeier (Fotos)
Bielefeld (WB). Ausgerechnet Bielefeld als Mittelpunkt der Welt? Für die unbedingten Anhänger von André Rieu und seinem Johann-Strauss-Orchester war diese schöne Vorstellung am Sonnabend klingende Realität. Der Walzerkönig hielt in der Seidenstickerhalle hof, seine »Untertanen« kamen von weit her, um der Kunst des Meisters für wenige Stunden zu huldigen.

Um 15 Uhr rollen die vier Trucks mit dem Konzert-Equipment und die Reisebusse aus den Niederlanden von Maastricht kommend auf das Gelände der Seidenstickerhalle. Der Soundcheck mag für weniger professionelle Musikanten hier problematisch sein, André Rieu und sein Gefolge spielen auch in größeren Sport-Arenen.
Schon um 18.30 Uhr bricht rund um den Veranstaltungsort so langsam der Verkehr zusammen. Parkplätze sind so selten wie Schnee in der Sahara. Wer jetzt keine Konzertkarten hat, wird sich die gelungene Mischung aus »New York Memories« (Rieus neueste CD) und seinen romantischen Variationen lediglich draußen vor der Tür anhören dürfen.
Voller Anspannung sitzen um 19 Uhr einige seiner unbedingten Anhänger in Reihe 2 (Preis pro Stuhl: 78 Euro) vis-à-vis der Bühne: Rita Reyelts aus Gütersloh freut sich auf ihr drittes Rieu-Konzert, Tochter Helga Lünstroth ist auch zum zweiten Mal dabei. Ehrfürchtig schauen die beiden Frauen zu ihren Nachbarn: Das Ehepaar Hans und Ursula Horn hat bereits Musikerfahrungen aus 100 (sie) und 85 Gastspielen (er) des Maastrichter »Jong«. Ebenso verlegen wie stolz gestehen die Kölner, im Besitz von Karten für weitere fünf (!) Konzerte ihres Stars in der kommenden Woche zu sein. Ursula Horn: »Was glauben Sie, was ich in der Tasche habe?«
Mitgebracht haben die Rheinländer zudem Gisela Brunner; die ultimative deutsche Rieu-Anhängerin aus Freiburg hat in Köln Station gemacht und besucht in Bielefeld ihr 450. (in Worten: vierhundertundfünfzigstes) Konzert des André Rieu und seines Johann-Strauss-Orchesters in den vergangenen elf Jahren.
Um 20.05 Uhr dann schreiten ein fröhlich pfeifender Maestro und seine Orchestralen mitsamt dem Chor zum Klatschmarsch durch mehr als 3000 Besucher zur Bühne. Das ist glänzend inszeniert, und mit den charmant-trockenen Moderationen stimmt André Rieu sein Publikum auf einen Abend ein, an dem zu präzise arrangierter Musik geschunkelt, gesummt und gesungen werden darf: »Was wäre die Welt ohne die Musik?«, fragt Rieu und antwortet selbst: »Phantastisch, daß Sie einen Abend mit Musik verbringen wollen.«
Mit clownesker Ironie gelingt dem Ensemble in den folgenden zweieinhalb Stunden ein Ausflug in die perfekte klassische Unterhaltung. Am Ende schweben die Gefühle wie die Paare, die zu Straussens »An der schönen blauen Donau« im Parkett tanzen.
Für die Rieu-Expertin Gisela Brunner wird's eine »musikalische Entspannung und sorgenfreie Unterhaltung«. Hinten, im zweiten Parkett, ist die zehnjährige Heike Wengenmaier aus Paderborn »einfach nur begeistert«. Die Karte hat sie zu Weihnachten geschenkt bekommen; ein Präsent, das die Nachwuchsmusikerin schlicht glücklich gemacht hat. Als es dann zu den Zugaben Luftballons von der Hallendecke regnet, läßt das Publikum die Lufthüllen übermütig platzen und liegt mit André Rieus Wunsch wirklich auf einer Wellenlänge: »Prosit Neujahr!«

Artikel vom 08.01.2007