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Elementar und bereichernd
für die europäische Kunst

Die Galerie Jesse zeigt afrikanische Skulpturen

Von Sabine Schulze
und Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). Die europäische Avantgarde hat die afrikanische Kunst geschätzt: »Sie hat sie als Reservoir für ihre Ideen angesehen und regelrecht geräubert«, sagt Jürgen Jesse.

Die Faszination, die Skulpturen und Gebrauchsgegenstände vom Schwarzen Kontinent ausüben, zeigt die Galerie Jesse am Siekerwall 14A seit gestern in einer Ausstellung. Nur ein Haus weiter bei Ingrid Holtmann wird sie durch eine Präsentation afrikanischer Glasperlen ergänzt.
Jesse hat Masken, Krokodile, Schalen, Nackenstützen und Flöten aus Westafrika, dazu zeitgenössische europäische Malerei zusammen arrangiert. »Vor 25 Jahren habe ich das zufällig in Venedig bei einem Kollegen gesehen und festgestellt, dass sich die Dinge nicht gegenseitig die Schau stehlen, sondern sie steigern.«
Mit Hilfe von Bielefelder Kunstfreunden kaufte er die Sammlungen von Hartwig und Wittig auf und erwarb vor Weihnachten noch einige schöne Stücke in der Schweiz. Damit steht Jesse in einer langen Tradition, denn afrikanische Gebrauchsgegenstände werden seit 500 Jahren von Händlern mitgebracht und in Europa gesammelt, erzählte er bei der Eröffnung. So fanden sie auch Eingang in Stilleben, vor allem portugiesische, auf denen sie immer mal wieder auftauchen.
In einer Standortbestimmung skizzierte der seit 40 Jahren in Bielefeld rührige Galerist die Tendenzen der Kultur in Zeiten der Globalisierung und betonte, dass neben der amerikanischen und der indisch-chinesischen Massenkultur sowie der standardisierten europäischen Hochkultur mit Events für Eliten auch die lokal-regionale Kunst, die ethnisch geprägt und identitätsstiftend sei, ihren Platz behaupte. Die Verschiedenheit in der Kultur müsse erhalten werden, zitierte Jesse den Sozialanthropologen Claude Levi-Strauss. Letztlich führt sie zu einer gegenseitigen Befruchtung. Und wer die Skulpturen und Gebrauchsgegenstände am Siekerwall sieht, versteht, warum sich Künstler wie Heckel, Picasso und Modigliani von dem Archaischen, Elementaren, das in ihnen deutlich wird, haben anregen lassen.
Dekorativ und plastisch sind auch die afrikanischen Glasperlen, die Ingrid Holtmann auf langen Ketten auf Baumwollfäden bekommt. »Ich nehme sie auseinander und arrangiere sie neu.« Die meisten der Perlen sind aus Glas, wenige auch aus Muscheln, Karneol oder Bronze. Die meisten sind 50 bis 100 Jahre alt, einige wenige sogar noch älter.
Ihre Schau ist dienstags bis freitags von 10 bis 19 Uhr, samstags von 11 bis 15 Uhr geöffnet. Die Galerie Jesse ist dienstags bis freitags von 10 bis 12 und von 15 bis 18.30 Uhr sowie samstags von 11 bis 15 Uhr geöffnet. Die »Afrikanische Skulptur« ist bis zum 3. Februar zu sehen.

Artikel vom 08.01.2007