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Ermittlungen
gegen Meyra

Schmiergeld an Saddam gezahlt?

Von Dietmar Kemper
Bielefeld/Kalletal (WB). Das Irak-Geschäft des lippischen Herstellers von Rollstühlen, Meyra in Kalletal, soll nicht sauber gewesen sein. Die Bielefelder Justiz ermittelt wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz und die Außenwirtschaftsverordnung, wie Oberstaatsanwalt Klaus Pollmann am Freitag bestätigte.

Für 2,6 Millionen US-Dollar hatte Meyra im Jahr 2002 Rollstühle und Gehhilfen in den Irak geliefert. Um das Geschäft unter Dach und Fach zu bringen, soll das Unternehmen etwa zehn Prozent der Auftragssumme, exakt 236 580 Dollar, an das Regime des inzwischen hingerichteten Diktators Saddam Hussein überwiesen haben. Schmiergeld sei gängige Praxis gewesen, heißt es im Untersuchungsbericht der Vereinten Nationen vom November 2005. Angefertigt wurde er vom Amerikaner Paul A. Volcker. In dem Bericht werden 2200 Firmen genannt, die das Regime bestochen haben sollen, um an Aufträge zu kommen.
Zum Fall Meyra sagte Oberstaatsanwalt Pollmann: »Die Lieferung der Rollstuhle ist unstrittig, auch die Tatsache, dass Zahlungen erfolgt sind.«
Allerdings bestreiten die Anwälte von Meyra, dass die Geschäftsführung von dem Schmiergeld Kenntnis hatte. Pollmann: »Wir müssen klären, wofür das Geld war, wie es in den Irak gelangte und ob die Verantwortlichen davon wussten.«
Bei Meyra selbst war am Freitag niemand für eine Stellungnahme erreichbar. Nach Informationen dieser Zeitung sieht man dort die Zahlungen als strafrechtlich irrelevante Provision an. 2002 untersagte das Embargo, das die Vereinten Nationen über den Irak verhängt hatten, direkte und unkontrollierte Geschäfte mit dem Regime. Kapital sollte nicht ungehindert ins Land fließen und möglicherweise für den Kauf von Waffen verwendet werden. Der Irak durfte zwar Öl exportieren, aber mit den Einnahmen nur Lebensmittel und Medizingüter anschaffen. Im Rahmen des UN-Hilfsprogramms »Öl für Lebensmittel« wurden die Erlöse aus den Öl-Exporten auf ein Treuhandkonto bei der Bank National de Paris (BNP) geleitet und davon die ausländischen Kunden des Irak bezahlt.
Das Regime von Saddam Hussein wollte aber mitkassieren und soll, so die UN, den Kunden klar gemacht haben, dass ohne Schmiergeld auf Regierungskonten nichts läuft.
Bundesweit sollen 63 Firmen aus Deutschland das Embargo der Vereinten Nationen missachtet haben. Staatsanwälte ermitteln bereits gegen DaimlerChrysler, Siemens, Linde, den Kugellagerhersteller FAG, den Dialysespezialisten Fresenius Medical Care (FMC) und die Medizintechnikfirma B. Braun Melsungen. Bestraft werden nicht die Firmen, sondern die verantwortlich Handelnden.

Artikel vom 06.01.2007