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CSU-Chef Stoiber will
mit Kritikerin sprechen

Pauli überrascht über Anruf aus der Staatskanzlei

München (Reuters). Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber will den Streit um seine erneute Kandidatur bei der Landtagswahl 2008 in einem Gespräch mit der Fürther CSU-Landrätin Gabriele Pauli beilegen. Der CSU-Chef sagte, er wolle seine Kritikerin vor der Sitzung des CSU-Parteivorstandes am 22. Januar treffen.
»Ich werde ihr anbieten, konstruktiv mitzuarbeiten, und zwar auch dann, wenn ihr persönlich eine Entscheidung über die Nummer eins in unserer Partei und in Bayern nicht gefällt«, sagte Stoiber. Pauli zeigte sich überrascht, nahm das Gesprächsangebot aber an. Ein Termin für das Treffen sei noch zu vereinbaren, sagte gestern ein Mitarbeiter Paulis.
Der Anruf aus der Staatskanzlei sei am Samstagabend bei der Fürther Landrätin auf dem Anrufbeantworter eingegangen. Pauli sei überrascht gewesen, da sie drei Mal vergebens ein Treffen mit Stoiber angeregt habe. Pauli hatte zuvor bekräftigt, dass sie beim Kleinen Parteitag im Frühjahr eine Mitgliederbefragung über eine erneute Kandidatur Stoibers beantragen werde.
Stoiber will sich dagegen in einer Woche bei der Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion in Bad Kreuth vorzeitig zum Spitzenkandidaten küren lassen. Nach Darstellung von CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann bestand Stoiber darauf, »dass er jetzt Klarheit haben will«.
Heute kommt in Bad Kreuth zunächst die CSU-Landesgruppe im Bundestag zur traditionellen Klausurtagung zusammen. Die CSU-Bundestagsabgeordneten wollen über die Gesundheitsreform und die Reformen am Arbeitsmarkt beraten. Eine Woche später trifft sich die Landtagsfraktion dann in Kreuth zu ihrer Klausur, auf der Stoiber zum Spitzenkandidaten für 2008 nominiert werden soll. Bereits heute soll das CSU-Parteipräsidium gegen die Forderung nach einer Urabstimmung Stellung beziehen und damit Stoiber den Rücken stärken.
Stoiber forderte, Entscheidungen seiner Partei zu respektieren, »unabhängig davon, ob man persönlich damit einverstanden ist«. Zwar könne jeder auf Parteitagen »Anträge stellen, die das ändern sollen«, zitierte »Focus« den CSU-Chef. Dieser ließ aber durchblicken, dass er die Mehrheit auf seiner Seite sieht.
Pauli kündigte nochmals an, sie werde beim Kleinen Parteitag im Frühjahr eine Mitgliederbefragung beantragen. »Auf dem regulären Parteitag im Herbst sollte dann die Nominierung stattfinden.« Die Fürther CSU-Landrätin war nach eigener Darstellung von einem Stoiber-Vertrauten bespitzelt worden.
Schlechte Umfragewerte für Stoiber und der Unmut an der Parteibasis über den Führungsstil des 65-Jährigen sprechen dafür, dass die Debatte um seine politische Zukunft anhalten dürfte. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte: »Die Landesgruppe steht felsenfest hinter Stoiber. Ich könnte mir keinen Besseren vorstellen. Das werden wir in Kreuth unterstreichen.« Von einer Mitgliederbefragung halte er gar nichts: »Andere haben damit schlechte Erfahrungen gemacht und sich die Finger verbrannt.«
Der bayerische Landtagspräsident Alois Glück appellierte an Stoiber, sich rechtzeitig um eine Regelung für seine Nachfolge zu kümmern. Stoiber habe als Amtsinhaber die Verantwortung dafür. »Ich hoffe, dass der Wechsel zum Zeitpunkt X gelingt, ohne Brüche«, sagte Glück. Den von Pauli angekündigten Antrag auf Mitgliederbefragung zu Stoibers Kandidatur nannte er absurd. Aber man könne eine jetzt ausgebrochene Führungsdebatte »in einer demokratischen Partei nicht von oben herab einfach beenden«.
62 Prozent der Bayern und 49 Prozent der CSU-Anhänger sind nach einer gestern veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap der Meinung, Stoiber solle bei der nächsten Landtagswahl nicht erneut als Spitzenkandidat antreten.

Artikel vom 08.01.2007