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Pillen-Taxi statt Apotheke

In Ostwestfalen-Lippe gibt es noch zwölf Rezeptsammelstellen

Von Bernhard Liedmann
und Ernst-Wilhelm Pape
Borchen (WB). Als »bittere Pille« für die 2243 Apotheken in Westfalen-Lippe hat die Apothekerkammer in Münster die geplante Gesundheitsreform bezeichnet.
Ein Taxi der besonderen Art: Kristina Geibel ist eine der Kurier-Fahrerinnen der Amts-Apotheke in Borchen, die täglich in der Rezept-Sammelstelle in Etteln die Rezepte abholen und die Medikamente noch am gleichen Tag ausliefern. Foto: Bernhard Liedmann

Trete die Reform wie vorgesehen am 1. April 2007 in Kraft, würden die Erträge der Apotheken um bis zu 40 Prozent wegbrechen, sagte Kammersprecher Michael Schmitz. Kleineren Apotheken auf dem Lande werde dann die Luft ausgehen. Dann werde der Bedarf an sogenannten Rezeptsammelstellen wieder zunehmen.
Gibt es keine Apotheke im Ort, kann diese Sammelstelle von einem Apotheker des Nachbarortes eingerichtet werden. Die Patienten werfen ihre Rezept in eine Art Briefkasten. Das »Pillen-Taxi«, besetzt mit Personal der zuständigen Apotheke, holt die Rezepte und liefert die Medikamente noch am gleichen Tag frei Haus, wie zum Beispiel in Borchen-Etteln (Kreis Paderborn).
»Mit unseren normalen Kurier-Diensten für die Ortsteile Husen und Atteln rechnet sich die Sammelstelle«, sagte Wilfried Josephs (30), Inhaber der Amts-Apotheke im Ortsteil Atteln zu dieser besonderen Versorgungsart im ländlichen Raum. Normale Kurierdienste könnten diesen Service nicht leisten, denn solche Sammelstellen dürften nur von Apotheker-Personal wahrgenommen werden. Die Berechtigung für den Betrieb und auch die Notwendigkeit der Einrichtung müssen alle drei Jahre neu überprüft werden.
Wie in der Apotheke selbst ist Sorgfalt höchstes Gebot: Alle Medikamente müssen bei der Lieferung neutral verpackt sein, und nur auf telefonischen Wunsch kann ausnahmsweise die Lieferung auch mal beim Nachbarn abgegeben werden. Pro Woche fallen in Etteln mehr als 50 Rezepte an. Vor allem für ältere Patienten ist das besondere Taxi ein wichtiger Bestandteil, um auf dem Land weiter leben und wohnen zu können. Auch für den Urlaub muss Apotheker Wilfried Josephs durch eine Vertretung dafür Sorge tragen, dass das »Pillen-Taxi« rollt.
Insgesamt gibt es in Westfalen-Lippe 42 dieser Rezeptsammelstellen, vor allen in dünn besiedelten Gebieten. Vor zehn Jahren waren es noch 65. Ihre Zahl nahm bisher stetig ab, da es ein gutes flächendeckendes Netz von Apotheken gibt.
In Ostwestfalen-Lippe rollen derzeit noch zwölf Pillen-Taxen in den Kreisen Höxter, Paderborn, Lippe und Minden-Lübbecke. Außer in Etteln wird der Service in Altenbeken-Schwaney, Bad Driburg-Neuenheerse, Beverungen-Haarbrück, Brakel-Gehrden, Höxter-Fürstenau, Kalletal-Kalldorf, Lemgo-Kirchheide, Lübbecke-Alswede, Petershagen-Helmsen, Petershagen-Ilvese und Petershagen-Wasserstraße geboten.

Artikel vom 06.01.2007