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George W. Bush

»Die USA müssen gute Freunde haben, vor allem in Europa.«

Leitartikel
Merkel bei Bush

Gräben
wieder
zugeschüttet


Von Dirk Schröder
Die Kurzvisite von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei US-Präsident George W. Bush in Washington war ein gelungener Start: Die deutsche Regierungschefin hat sich für die Zeit ihrer EU-Ratspräsidentschaft und ihres Vorsitzes der G8-Staaten einiges vorgenommen hat.
Gleich zu Beginn ihrer beiden Ämter hat sie den Oppositionsparteien in Berlin viel Wind aus den Segeln genommen, die über die nächsten sechs Monate schon als die »Zeit der roten Teppiche« gelästert haben. In der Tat, es waren nur knapp drei Stunden, die Bush und Merkel miteinander gesprochen haben, und konkrete Vereinbarungen hat es auch nicht gegeben. Doch dieser ungezwungene Umgang, dieser symbolträchtige Schulterschluss zwischen der gegenwärtig politisch mächtigsten Frau Europas und des Präsidenten der Führungsmacht USA hat gezeigt, dass die transatlantischen Gräben wieder zugeschüttet sind.
Mag Bush auch innenpolitisch geschwächt sein, ändert dies nichts daran: Spätestens seit Merkels nunmehr drittem Besuch als Kanzlerin in den USA steht die atlantische Partnerschaft, jahrzehntelang Eckpfeiler deutscher und europäischer Außenpolitik, wieder im Vordergrund. Das allein hat diesen Besuch schon gelohnt.
Doch die Bundeskanzlerin hat in Washington noch mehr erreicht. Es sind nicht nur höfliche Komplimente, wenn Bush die »Weisheit« Angela Merkels lobt. Der US-Präsident und die amerikanische Regierung beginnen wieder, auf Europa zu hören. Das war lange Zeit nicht so.
Bushs Bemerkung, »die Vereinigten Staaten müssen gute Freunde haben, vor allem in Europa«, ist ein Beleg dafür. Auch sein auffälliges Interesse am Klimawandel und dem Einsatz neuer Technologien zur Verminderung des CO2-Ausstosses deuten darauf hin. Auf diesem Gebiet waren die Europäer mit ihren Forderungen beim amerikanischen Präsidenten bisher immer auf taube Ohren gestoßen.
Angela Merkel hat sich für ihre EU-Ratspräsidentschaft vorgenommen, ein Europa zu schaffen, das mit einer Stimme spricht und in der Lage ist, politische Initiativen zu starten. Den Anfang dafür hat sie in Washington gemacht. Sie will das sogenannte Nahost-Quartett, bestehend aus den USA, Russland, der Europäischen Union und den Vereinten Nationen, wieder verstärkt in die Vermittlungen zwischen Israel und den Palästinensern einbeziehen.
Dass Bush diesem Vorschlag zustimmte, überrascht nicht. Er hat in diesen Tagen mit dem Irak-Problem ganz andere außenpolitische Sorgen. Doch ist seine Zustimmung auch ein Eingeständnis, dass die USA es nicht allein schaffen werden, den Nahen Osten einer Friedenslösung näher zu bringen.
Merkels Vorschlag, das Nah-ost-Quartett wiederzubeleben, ist aber nicht nur eine »gute Idee«, wie Bush befindet. Es wird Zeit: Europa muss im Nahen Osten mehr Verantwortung übernehmen und seine bisherige Zurückhaltung aufgeben. Merkel kann es schaffen, dass Europa wieder mit einer Stimme spricht.

Artikel vom 08.01.2007