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Gertrude Stein

»Geld ist immer vorhanden,
aber die Taschen wechseln.«

Leitartikel
Wohnen - kostbares Gut

Nachdenkstoff nicht
nur für Otto


Von Rolf Dressler
»My home is my castle«, sagt geflügelten Wortes der Englischsprachige. Was auf gut Deutsch nichts weniger heißt als: »Mein Heim ist meine Burg.«
Mit mittelalterlich-mächtigem Burggemäuer freilich haben die Wände heutiger Häuser und Wohnungen kaum mehr etwas gemein. Und eben weil sie so ver- gleichsweise dünn konstruiert und gebaut sind, hapert es vielerorts sowohl am Schallschutz als vor allem an der Wärmedämmung. Das kann gewaltig ins Geld gehen, ob beim klassischen Eigenheim älteren Jahrgangs oder oftmals sogar bei Gebäuden jüngeren Erstellungsdatums.
Alle wissen darum, zumal gerade Heizenergie, sprich: Gas, Öl, Kohle und in deren »Fahrwasser« seit neuestem nun auch Holz in immer kürzeren Abständen geradezu schwindelerregende Preissprünge vollführen. Natürlich erhitzen sich daran die Gemüter. Alle Beteiligten tun deshalb gut daran, kühlen Kopf zu bewahren, was schwer genug fällt, wenn Otto und Ottilie Normalverbraucher ohnmächtig mitansehen müssen,
- an welch überlangen Hebeln die Herren der Erdöl- und Erdgasfelder und die Strombosse sitzen,
- in welche Abhängigkeiten bis zur politischen Erpressbarkeit die rohstoffarmen Abnehmerländerund ganz obenan eben auch Deutschland sich begeben
- und mit welcher Wucht das Energiepreisdiktat derer, die die ganz großen Räder drehen, im gewöhnlichen Alltag auf das Portemonnaie jedes Einzelnen durchschlägt.
All das schmerzt. Es ist deshalb so bemerkenswert wie erfreulich, dass die Spitzenvertreter des ostwestfälischen Haus- und Grundbesitzer-Verbandes und des Mieterbundes sich selbst und anderen Mäßigung und Augenmaß anempfehlen, ohne bei der Beurteilung der schwierigen Entwicklungen die Interessen der eigenen Klientel hintanzustellen.
Längst haben sich die Wohnnebenkosten, vor allem fürs Heizen, zu einer satten Zweitgröße ausgewachsen. Tendenz rasch weiter steigend, Ende nach oben offen. Die Folge: Da diese Belastungen mittlerweile schon mit 40 Prozent zu Buche schlagen, rechnen Mieter nur noch in Brutto-Endmiete, sehen also nur noch das Gesamt-»Paket« Miete/Nebenkosten.
Wovon indes sollen Wohnungsvermieter notwendige Renovierungen etc. finanzieren, wenn sie wegen des enormen Anstiegs der Miet-Nebenkosten immer öfter nicht einmal mehr Mieten erzielen können, wie sie (auf geduldigem Theorie-Papier) in den Mietspiegeln von Städten und Städten ausgewiesen sind? Die Netto-Mieterlöse jedenfalls reichen dafür kaum noch aus.
Und der demnächst gesetzlich verordnete Energiepass, unterteilt in Energiebedarfsausweis und Verbrauchsausweis? Von dem hoch subventionierten 30-Euro-Einführungsentgelt für Pilotprojekte dürfte die künftig fällige Einzel- gebühr nach Fachleute-Meinung schon bald auf womöglich nahe 1000 Euro emporschnellen.
Mit den Milliardengeldern für 17 Millionen Energiepässe ließen sich übrigens gut 40 000 (!) »energieoptimierte« Einfamilienhäuser bauen. Reichlich Nachdenkstoff.

Artikel vom 06.01.2007