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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann

Hans-Jürgen Feldmann ist Pfarrer im Ruhestand.

Die dem heutigen 6. Januar zugeordnete Geschichte von den Weisen aus dem Morgenlande (Matth. 2, 1-12), den sogenannten heiligen drei Königen, ist nicht, wie Krippenspiele vermuten lassen, die Fortsetzung der bekannten Weihnachtsgeschichte (Luk. 2, 1-20). Ursprünglich hat die eine mit der anderen nichts zu tun. Die Evangelisten Matthäus und Lukas erzählen unabhängig voneinander, was für sie an Christi Geburt wichtig war.
In den Einzelheiten stimmen sie also nicht überein. Matthäus weiß nichts von den Hirten auf dem Felde, und Lukas kennt jene exotischen orientalischen Gestalten mit ihren märchenhaften Geschenken, mit Gold, Weihrauch und Myrrhe, überhaupt nicht. Bei Matthäus wiederum erscheint kein Verkündigungsengel, doch es geht ein Stern auf, und sein Licht ist wegweisend. Im Lukasevangelium singt die Menge der himmlischen Heerscharen zur Ehre Gottes und vom Frieden auf Erden. Statt dessen weiß Matthäus von einem unheimlichen Zwischenspiel in Jerusalem: Herodes läßt sich erklären, was es mit dem Kinde auf sich habe - allerdings nur, um den »neugeborenen König« schnellstens in den Tod zu schicken.
Provokant und für fromme Ohren unerträglich ist, was für Leute Matthäus als erste bei dem Christuskind erscheinen sieht: Heiden nämlich, mithin - im Sinne der Bibel - Ungläubige. Sie praktizieren Dinge, die Juden suspekt sind. Sie sind nämlich nicht, wie Luther übersetzt, nur »Weise«, sondern Magier, Zauberer also, und ihre Zauberei besteht nicht aus harmlosen Tricks. Vielmehr gehen sie mit geheimen Kräften um und suchen Zugang zu Quellen, die gewöhnlichen Sterblichen verschlossen sind. Vor allem betreiben sie Astrologie und lesen ihr Schicksal von den Sternen ab. Dahinter aber verbirgt sich die alte heidnische Auffassung, die Gestirne seien Gottheiten, und das verträgt sich nun keineswegs mit dem Glauben Israels.
Der Evangelist Matthäus ist selbst jüdischer Herkunft. Trotzdem verliert er über diese Magier und Astrologen kein abfälliges Wort. Eher erfüllt ihn Hochachtung angesichts ihres langen und beschwerlichen Weges zu dem Christuskind und ihrer wertvollen Geschenke, mit denen sie es ehren.
Damit sagt Matthäus uns Heutigen zweierlei: Einmal, daß Menschen am Ende fündig werden, die eine echte Sehnsucht in sich tragen und ihrem Stern folgen. Die nämlich werden sich ihre Suche etwas kosten lassen, statt sich mit Billigangeboten zufrieden zu geben. Zum anderen, daß Gott auch Unkonventionelles und Unorthodoxes gelten läßt, um sich finden zu lassen. Er paßt eben in kein Schema, auch nicht in ein frommes.
So begegnet er den Magiern zunächst nicht durch sein Wort, nicht durch die Bibel, nicht durch eine Predigt. Vielmehr ist er für sie auf ihrer eigenen Ebene da; er bedient sich ihrer eigenen Voraussetzungen - eben ihres Sternenglaubens. Er nimmt mit ihnen Kontakt auf durch das, was sie verstehen und worin sie zu Hause sind. Darin gibt er ihnen ein Zeichen, dem sie folgen können.
Gott kann auch denen einen Stern aufgehen lassen, die dafür kaum Voraussetzungen mitbringen. Manche verstehen zum Beispiel fast nur noch die Sprache des Geldes. Aber auch sie können die weiterführende Erfahrung machen, daß man unterscheiden muß zwischen dem, was man für Geld bekommen kann, und dem, was grundsätzlich nicht käuflich ist. Andere etwa, denen der Inhalt des Glaubens fremd geworden ist, so daß er ihnen kaum noch etwas sagt, besuchen gern geistliche Konzerte - um der Musik, nicht um der vertonten Texte willen. Gott aber kann auch diesen Menschen begegnen, indem ihnen beim Hören etwas unter die Haut geht, das größer ist als das, was sie gesucht haben.
Die Erzählung von den Weisen aus dem Morgenlande ist eine gute Nachricht für alle, die auf der Suche sind. Denn sie bezeugt, daß Gott auch denjenigen begegnet, die ihn auf ihre eigene, manchmal doch auch gewöhnungsbedürftige Weise suchen und denen vielleicht nicht einmal bewußt ist, wonach es sie denn eigentlich verlangt.

Artikel vom 06.01.2007