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»Was mir hier fehlt, ist ein Architektur-Führer«, sagt Claudia Turtenwald, die an der Universität Bielefeld einen Lehrauftrag für Architekturgeschichte inne hat. Ursprünglich hegte sie die Hoffnung, einen solchen im Rahmen ihrer Seminare erstellen zu können. »Leider eine Vorstellung, die ich schnell wieder begraben musste. Die Studierenden sind durch die verschulten Bachelor- und Masterstudiengänge dermaßen extrem eingebunden, dass ein solch arbeitsaufwendiges Projekt derzeit nicht umgesetzt werden kann«, sagt die 35-Jährige.
Die Idee hat sie indes noch nicht ganz ad acta gelegt. Vielmehr arbeitet sie in kleinen Schritten auf einen entsprechenden Führer hin. Seminare zur Industriegeschichte Bielefelds oder zum Thema »Wohnen im Wandel« könnten einmal den Grundstein für einen Architekturführer bilden. In Kooperation mit der Bielefeld Marketing GmbH soll zudem ein Faltblatt erstellt werden, das einzelne Objekte präsentiert.
Architektur sieht Claudia Turtenwald stets als Ausgangspunkt oder Quelle für umfassende stadtgeschichtliche Erkenntnisse. »Die Architektur umfasst und verknüpft Politik, Wirtschaft, Soziales und die Kunst«, bemerkt die Kunsthistorikerin, die gerade diese Vielfalt ihres Aufgabenbereichs so spannend findet.
Für ihre Doktorarbeit erstellte sie ein kunstgeschichtliches Dossier über das Chilehaus in Hamburg. Sein Erbauer, Fritz Höger, gehörte in den 20er und 30er Jahren zu den großen Backstein-Expressionisten. Gleichwohl war wenig über ihn bekannt, bis sich Claudia Turtenwald in die Archive und den Nachlass des Architekten vergrub. »Im Staatsarchiv bin ich kistenweise auf unsortierte Unterlagen gestoßen«, erzählt sie. Sich dort durchzuwühlen fiel ihr nicht schwer. »Wenn mir etwas Spaß macht, kann ich sehr diszipliniert und konsequent sein«, sagt die Kunsthistorikerin, die es dann auch faszinierend fand, die bislang ungenutzten Informationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Quasi als Nebenprodukt entstand eine Ausstellung mit Katalog, die dann im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg gezeigt wurde. »Es war harte Arbeit, parallel an der Doktorarbeit und der Ausstellung zu arbeiten, doch es hat Spaß gemacht«, betont die Kunsthistorikerin.
Von Hamburg aus führten ihre Stationen über die Schweiz nach Bielefeld, eine Stadt, die für Kunsthistoriker zunächst kein nennenswertes Betätigungsfeld bietet. »Hinzu kommt, dass die Arbeit eines Kunsthistorikers oftmals als Lobbyarbeit angesehen wird, für die man nicht angemessen bezahlt wird«, sagt Claudia Turtenwald. Freiberuflich zu arbeiten, sei daher ein hartes Brot.
Kontaktpflege und Netzwerke knüpfen sind daher unerlässlich. Führungen und museumspädagogische Aufgaben in der Kunsthalle und im MARTa Herford bildeten den Anfang ihrer beruflichen Tätigkeit am Teuto. Seit drei Jahren organisiert Claudia Turtenwald als Assistentin von Dr. Thomas Kellein die »Gartenlandschaften OWL«. Mittlerweile hat sie auch eine halbe Stelle als Assistentin der Geschäftsführung im Kunstverein inne. Die Organisation und Abwicklung von Ausstellungen sei ein spannendes Arbeitsfeld. Gleichwohl sei sie fachlich unterfordert, meint die promovierte Kunsthistorikerin.
Eine neue Herausforderung wartet im Februar auf Claudia Turtenwald. Sie ist eingeladen, auf der Jahreskonferenz der Kunsthistoriker-Vereinigung in New York Teile ihrer Doktorarbeit vorzustellen. Für Turtenwald eine attraktive Aufgabe: »Mir macht es großen Spaß, mein Wissen weiterzuvermitteln.« Eine feste Dozentenstelle an einer Universität sei daher genau das Richtige für sie.
Ausgestattet mit einem immensen Interesse an fremden Ländern und Sprachen -Ê Claudia Turtenwald spricht unter anderem Kroatisch - darf's auch gerne eine Stelle im Ausland sein. Mal sehen, was New York so mit sich bringt. Darüber hinaus gibt es auch in Bielefeld noch reichlich Stoff für einen neugierigen Forschergeist wie Claudia Turtenwald.

Artikel vom 06.01.2007