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»Ein bisschen Judo geht nicht«

Ex-Olympiasieger und Bundestrainer Frank Wieneke bei Neujahrslehrgang

Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Einer der erfolgreichsten deutschen Judoka stattete Bielefeld gestern seinen Premierenbesuch ab: Männer-Bundestrainer Frank Wieneke (44), Olympiasieger 1984 in Los Angeles und Zweiter bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul, jeweils im Halbmittelgewicht, leitete den Judo-Neujahrslehrgang des JC 93 in der Sporthalle des Westfalen-Kollegs.

»Judo ist mein Leben, und ich mag Kinder,« erläuterte der zweifache Vater, warum er gerne die Einladung an den Teuto annahm. Der U 14- und U 17-Nachwuchs sowie in der zweiten Einheit die U 20, männlich wie weiblich, war jedenfalls angetan vom kurzweiligen Programm, das neben Aufwärmspielen à la Indiana Jones modernes Technikerwerbs- und -anwendungstraining oder auch mal das etwas andere Bodenrandori (der auf dem Rücken liegt, gewinnt) vorsah.
Gut fünf Stunden lang vermittelte der prominente Gast Tricks und Kniffe einer Sportart, die nach Meinung Wienekes zu wenig Anerkennung in der Öffentlichkeit findet. Gab Tori und Uke (durfte nicht blocken, sondern auch kontern) Tipps, sich in den Gegner hineinzufühlen, dessen Herzschlag zu spüren. Unterstützt wurde er von »Hausherr« Ben Vergunst vom JC 93 Bielefeld sowie den beiden Bezirkstrainern Helmut und Dennis Muth (Gütersloh). Gut 100 SportlerInnen bevölkerten in zwei Etappen die Halle; es hätten doppelt so viele sein können. »Ich musste leider etlichen Vereinen absagen,« sah Initiator Vergunst den großen Andrang mit einem lachenden und einem weinenden Auge und lobte Wienekes Arbeit. »Gut, dass unser Sport auf diesem Posten eine Kämpferpersönlichkeit wie Wieneke besitzt. Der kennt alle Tricks.«
Die betagte, 220 Quadratmeter große Wettkampffläche registrierte der Bundestrainer, der in der Vorweihnachtszeit mit seinen Kaderathleten für drei Wochen in Japan weilte, mit einem flapsigen Spruch. »Darauf habe ich auch schon gelernt. Solche Matten gibt's heutzutage gar nicht mehr.« Wieneke nutze jede Gelegenheit, um Judo (»Eine anspruchsvolle, trainingsintensive Sportart«) in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Außerdem sei es wichtig, Jugendliche in diesem Alter zu motivieren, weil viele aufhörten, »wenn es härter wird.« Seine deutliche Botschaft: »Du musst sehr hart trainieren, um Erfolg zu haben. Ein bisschen Judo geht nicht«.
Den Besuch in der Peripherie empfand er als »schön. Es ist vorteilhaft, als Bundestrainer nicht den Kontakt zur Basis zu verlieren. Und vielleicht treffe ich ja mal einen von hier später im Kader wieder. Ich sehe die Veranstaltung auch als eine Art Startschuss. Sowas lohnt sich immer.«
Wieneke staunte, wie leise und diszipliniert die OWL-Eleven seinen Worten lauschten. Ihm war es »völlig egal, ob da einer mit Gelb- oder Braungurt steht. Ich zeige die Techniken so, wie sie funktionieren.« Mit der Mär vom »sanften Weg« räumte er indes auf. »Du musst Kraft haben. Ohne Kraft geht gar nichts.« Wie in dem Buch von Carlo Tränhardt (»Helden auf Zeit«, Gespräche mit Olympiasiegern) nachzulesen, war der Kämpfer Wieneke früher überhaupt kein Kind von Traurigkeit.
Seit dem 1. November 2000 ist Frank Wieneke Männer-Bundestrainer im Deutschen Judo-Bund (DJB). Der Hannoveraner leitet den Bundesleistungsstützpunkt in Köln und freut sich, in Bundeswehr und Bundesgrenzschutz zwei große Stützen zu haben. Die Zielsetzung der deutschen Judoka bei den nächsten Wettkämpfen ist klar. »Wir stehen nur im Blickpunkt, wenn wir internationale Titel und Medaillen gewinnen,« spricht er etwa die Förderung durch die Sporthilfe an. »Unsere Förderstufe - die Frauen 1, die Männer 2 - wollen wir auf jeden Fall halten oder verbessern.«
Bezirks-Kampfrichterobmann Macher Ben Vergunst, seit 1957 auf der Judomatte, hat noch viele Pläne und möchte das eingestilte hochqualifizierte Lehrgangsangebot weiter etablieren. Den DJB-Präsidenten Peter Frese ebenso als Referenten herlotsen wie den zweifachen Weltmeister und Olympiasieger Mark Huizinga aus den Niederlanden. Grundvoraussetzung für derlei »Bonbons« sei freilich eine Fortsetzung der Förderung solcher vereinsübergreifenden Maßnahmen durch die Stiftung der Sparkasse Bielefeld. »Ich denke aber, es sieht diesbezüglich ganz gut aus. Unser neues Konzept ist klasse,« freut sich Vergunst schon auf weitere Spitzenreferenten.
Dank der Stiftungsmittel spürt er zudem eine neue Qualität des Miteinanders der Bielefelder Judovereine. Das gemeinsame Training lockere Blockaden, provoziere Nähe. Vergunst: »Es ist Bewegung in den Laden gekommen.«

Artikel vom 05.01.2007