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Hirschjagd statt Trauerarbeit

»The Queen« mischt Fakten und Spekulatives - Kinostart am 11. Januar

Von Andreas Schnadwinkel
Bielefeld (WB). Im Spätsommer jährt sich zum zehnten Mal der Todestag von Lady Diana. Ähnlich wie bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wissen viele Menschen heute noch genau, wie und wo sie die Nachricht damals erfuhren. Weltweit trauerte man um Diana Spencer, die ehemalige Prinzessin von Wales.

Am 11. Januar kommt mit »The Queen« ein Film in die Kinos, der die erste Septemberwoche des Jahres 1997 vom Unfalltod bis zum Begräbnis thematisiert, und zwar aus Sicht der königlichen Familie und des frischgewählten, neuen Premierministers Tony Blair.
Stand die britische Monarchie auf der Kippe, weil die Royals nicht umgehend vom schottischen Sommersitz Balmoral nach London zurückkehrten? Wollte die Königin abdanken, weil binnen weniger Tage ihre Popularität enorm sank? Dies sind die Grundfragen in Stephen Frears' sehenswerter Inszenierung. Kritisch, aber ausgewogen beleuchtet der Regisseur die Argumente von Elizabeth II. (von Helen Mirren »Oscar«-würdig dargestellt), nicht im Buckingham-Palast um ein ehemaliges Familienmitglied zu trauern. Dabei kommt Prinz Philip ziemlich schlecht weg, weil er nur an die Hirschjagd denkt und auf das höfische Protokoll verweist. Überhaupt das Protokoll: In »The Queen« avancieren die steifen Regeln zu einer Art Bösewicht, den es zu bekämpfen gilt.
Der Königin bieten sie keinen Schutz, sondern hemmen sie, Gefühle zu zeigen. So verhält sie sich zwar formal korrekt, aber emotional eben kaum nachvollziehbar. Völlig falsch schätzt sie die Volksseele ein und hält den Tod von Lady Di für eine Privatangelegenheit der Familie.
Während Tony Blair von gewieften Beratern umgeben ist und mit den Medien umzugehen weiß, findet bei »Königs« - zumindest hier im Film -ĂŠkeine Beratung statt. Mit der Mentalität der Kriegsgeneration versucht sich Elizabeth II. im Selbstcoaching, was zum Scheitern verurteilt ist. Auch ihr Sohn, Prinz Charles, dringt nicht bis zum Herz seiner Mutter vor.
Dem inneren Konflikt der Queen stellt Stephen Frears den Konflikt im Hause Blair gegenüber: Während die biestig dargestellte Cherie Blair im Verhalten der Windsors eine Chance wittert, mit der Monarchie abzuschließen, verteidigt ihr Mann nach innen wie nach außen das britische Königshaus und baut ihm eine Brücke zur trauernden Bevölkerung.
Blicke hinter die Palastmauern blieben dem Regisseur natürlich verwehrt. Stephen Frears hat sich auf Medienmaterial und die Quellen einiger Hofberichterstatter gestützt. So bleibt die Darstellung der privaten Elizabeth II. spekulativ. »Wahrscheinlich ist sie im Film so, wie ich sie gerne hätte. Ich hoffe, sie ist so intelligent, menschlich und nachdenklich. Aber vielleicht ist sie sehr dumm, ich weiß es nicht. Eigentlich können wir nur raten«, sagt Frears.
Und »The Queen« hat noch einen Haken: Die jungen Prinzen William und Harry werden praktisch nicht dargestellt, von ihnen wird nur gesprochen. Da ihr Schutz vor den Medien aber für die Großeltern der Hauptgrund ist, in Schottland zu bleiben, weckt der Film den Eindruck, dass dieser Grund nur vorgeschoben gewesen sei, um nicht öffentlich um die beim Volk beliebte Schwiegertochter trauern zu müssen.
Die Bielefelder »Kamera«, Feilenstraße 4, zeigt am Sonntag um 19.00 Uhr »The Queen« in einer Vorpremiere.

Artikel vom 05.01.2007