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»Stoiber und das schöne Biest« -
mehr als nur ein Possenspiel

Bayerns Ministerpräsident erneut in schweren politischen Turbulenzen

Von Dirk Schröder
München (WB). »Gehen wir mit Optimismus und Zuversicht in das Jahr 2007.« Ministerpräsident Edmund Stoiber wird in seiner Neujahrsansprache bei diesem Appell an seine bayerischen Landsleute vor allem wohl auch an sich selbst gedacht haben. Denn gerade einmal ein gutes Jahr nach seiner Berliner Pleite ist der CSU-Vorsitzende erneut in schwere politische Turbulenzen geraten.

»Edmund Stoiber und das schöne Biest« - der bayerische Regierungschef muss aufpassen, dass sich aus diesem anfänglichen Possenspiel um Spitzeleien nicht eine ausgewachsene Tragödie entwickelt, die für den CSU-Chef in einem politischen Debakel endet. Denn eines ist klar: Mit der Entlassung seines langjährigen Büroleiters Michael Höhenberger hat er die Fürther Landrätin Gabriele Pauli nicht zum Schweigen gebracht. Und die streitbare Stoiber-Kritikerin lässt sich offensichtlich auch vom angedrohten Partei-Ausschlussverfahren nicht einschüchtern.
Seit dem Verzicht Stoibers auf das Superministerium in der Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel haftet ihm der Makel des Mutlosen an. Seit dieser Zeit stört es die CSU-Frau aus Fürth auch, dass ihre Partei im nächsten Jahr noch einmal mit dem derzeitigen Parteichef und Ministerpräsidenten in die Landtagswahl ziehen will.
CSU-Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann dagegen »kann in der CSU niemanden sehen, der als Alternativbewerber zu Edmund Stoiber antreten möchte«, Er gibt damit zwar die Stimmung führender CSU-Politiker wieder, die im Streit über eine Mitgliederbefragung für die Spitzenkandidatur 2008 Stoiber den Rücken stärken. Doch in diesem Abschmettern der Forderung Paulis schwingt auch die Angst mit, dass die Stimmung an der Parteibasis eine ganz andere ist, die Landrätin gar nicht so isoliert ist, wie man weismachen will.
Fest steht: Seit einem Jahr kommt Edmund Stoiber nicht mehr aus dem Tief heraus. Die Liste der politischen Verlierer 2006 führt der bayerische Ministerpräsident an. In der Polit-Vertrauensskala von Forsa büßte er so viele Prozentpunkte ein wie kein anderer Politiker.
War es Stoiber Anfang 2006 noch annähernd gelungen, die Irritationen, die er mit seiner »Berlin-Flucht« ausgelöst hatte, wieder wettzumachen, so häufte sich zuletzt wieder die Kritik. Beispiel Gesundheitsreform: Gegen gemeinsam getroffene Vereinbarungen läuft er jetzt wieder Sturm. Da sind sie wieder, die lange von Angela Merkel »vermissten« Querschüsse aus Bayern.
Es sieht diesmal nicht so aus, als würden der CSU-Chef und die treuen Stoiberisten die Stimmung im Land verkennen oder sogar ignorieren. 62 Prozent der Bundesbürger glauben, dass die CSU bei den Landtagswahlen ohne den heutigen Ministerpräsidenten die besseren Ergebnisse erzielen würde. Auch wenn ein CSU-Sprecher die Aussagekraft der Umfrage für gering hält, weil auch Wähler außerhalb Bayerns befragt worden sind. Sogar die Mehrheit in Bayern hat sich gegen eine erneute Spitzenkandidatur Stoibers ausgesprochen. Selbst unter den CSU-Anhängern findet eine Kandidatur Stoibers mit 52 Prozent nur eine knappe Mehrheit.
Edmund Stoiber wackelt - und zwar erheblich. Deshalb geht der 65-jährige CSU-Chef jetzt in die Offensive. Er will sich der Rückendeckung der Parteispitze versichern. Diese wird er am kommenden Montag bekommen, wenn das CSU-Präsidium erklären soll, ob für seine Kandidatur bei der Landtagswahl die von Pauli geforderte Mitgliederbefragung nötig sei. Und CSU-Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann will dem Ministerpräsidenten mit einer vorgezogenen Ausrufung zum Spitzenkandidaten in zwei Wochen bei der Winterklausur in Wildbad Kreuth die nötige Luft für die nächsten Monate verschaffen.
Stoiber hofft damit, die Debatte vorerst einzudämmen. Doch ob die Einmütigkeit an der Spitze auch die Basis beruhigen wird, ist zu bezweifeln. Fast zwei Jahre bis zur Wahl sind eine lange Zeit.
Es hat mit Helmut Kohl schon einmal einen Regierungschef gegeben, der die Zeichen der Zeit nicht erkannt hatte. Das Resultat: Er verlor die Bundestagswahl 1998 an Gerhard Schröder. So weit wird es in Bayern nicht kommen. Doch um die jahrzehntelange absolute Mehrheit muss die CSU mit einem Kandidaten Edmund Stoiber schon fürchten.
In der CSU-Zentrale laufen nach einem Bericht des »Spiegel« auf jeden Fall bereits die Planungen für einen Wahlkampf 2008, der wegen der Affäre weniger als früher auf Stoiber persönlich zugeschnitten sein soll. »Diesmal sollen die Inhalte im Vordergrund stehen«, wird ein Wahlkampfmanager zitiert. »Das Land mit Stoiber-Plakaten zupflastern, das wird nicht mehr gehen.«

Artikel vom 04.01.2007