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Pilotprojekt
hilft Jungen im
Alltagsstress

Freizeit des Naturkundemuseums

Von Ulrich Hohenhoff
(Text und Fotos)
Brackwede (WB). Für die pädagogischen Mitarbeiter des Naturkundemuseums Bielefeld, Tina Harder und Thomas Pupkulies, ist es ein Pilotprojekt, für die beteiligten Kinder ein Riesenspaß, bei dem sie auch noch viel lernen. Im Naturfreundehaus Brackwede bezogen gestern sieben Jungen mit ihren Betreuern Quartier, um dort eine dreitägige Kinderfreizeit zu erleben.

»Wir machen Derartiges zum ersten Mal«, sagt Thomas Pupkulies. Raus aus dem Alltag, mit Gleichaltrigen übernachten, gemeinsam kochen, Abenteuer erleben und die Natur kennen lernen. Das Museum will mit diesem Freizeit-Programm neben der Umweltbildung auch einen ganz speziellen Beitrag zu der von der Politik geforderten Jungenförderung leisten.
Die Gruppe ist bewusst klein gehalten, »damit wir auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder eingehen können«, so Thomas Pupkulies. »Mehr als acht Jungen sollten es nicht sein, sonst wird alles zu unübersichtlich und wir können den speziellen Gegebenheiten nicht Rechnung tragen.« Das Haus der Brackweder Naturfreunde ist geradezu ideal, von der Lage und von der »etwas spartanischen Ausstattung« her.
»Die Kinder werden während des Aufenthaltes und dem gemeinsamen Erleben zu einer festen Gruppe zusammengeschmiedet«, ist sich auch Tina Harder sicher. Dabei kommen die Jungen aus verschiedenen Orten, von Bielefeld bis Gütersloh, kannten sich zuvor nicht. Und gleich am ersten Tag lernten sie auch die Pflichten eines »Hausmannes« kennen. Los ging es mit dem Bezug der Zimmer. »Der eine oder andere fühlte sich da überfordert, weil er in seinem Leben wohl noch nie ein Bett gemacht hatte«, schmunzelt Pupkulies.
Ganz anders in der Küche. Bei der Zubereitung der gemeinsamen Mittags-Mahlzeit - es gab einen Gemüseauflauf - mussten alle mit anfassen. »Die Kinder erleben hier, dass Essen nicht nur im Verputzen der Nahrung besteht, sondern intensiver Vorbereitung bedarf.« Da musste der Blumenkohl geputzt werden, Möhren und Kartoffeln waren zu schälen und Zwiebeln zu schneiden. Schließlich wanderte alles in den Backofen. »Das mache ich auch häufiger zu Hause«, meint Leon (9), der gekonnt mit dem Messer hantierte.
Nach dem Mittagessen ging es in den Wald, um eine Waldhütte aus alten Ästen oder eine Schaukel in einem Baum zu bauen. »Die Jungen schaukeln dann praktisch aus luftiger Höhe ins Leere hinein. Das stärkt Mut und Selbstvertrauen«, ist sich Thomas Pupkulies sicher. Auch die Schatzsuche machte allen viel Spaß. Die Kinder lernten, was man so alles im Wald finden kann - unter anderem nämlich jede Menge ausgebrannte Silvesterraketen, Hinterlassenschaft einer großen Silvesterparty im Naturfreundehaus. Die Jungen fackelten nicht lange und räumten den Wald auf, bevor es auf zur Schatzsuche ging. Dafür bastelten sich die Kinder einen Pilgerstab oder ein Amulett.
Gesucht wurde nach allem, was im Wald »kreucht und fleucht«. Tierspuren, Pflanzen und Äste führten ein in die Welt der Biologie. »Wir erklären dabei den Nutzen des Waldes«, merkt der freiberuflich tätige Pädagoge an. »Gemeinsames Erleben an viel frischer Luft fördert auch das soziale Zusammenfinden.«
Ziel ist es zudem, die Nachhaltigkeit - wichtiger Baustein der Museumspädagogik - zu unterstützen. »Wir möchten damit ein Angebot aufbauen, möglichst im Sommer und im Winter eine Kinderfreizeit durchführen. Dabei kommen uns die Erfahrungen vom ersten Mal ganz sicher zugute«, sagt Thomas Pupkulies. Schwierig sei es nur, Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen. Bei dieser Freizeit hätten sie enorme Unterstützung vom Vorsitzenden des Fördervereins, Dr. Godehard Franzen, erhalten.

Artikel vom 04.01.2007