Im Bielefelder Stadttheater war ein Comedian Harmonist Silvester sprachlos
Von Dietmar Kemper Bielefeld (WB). Dirk Witthuhn bewegte nur die Lippen. Wegen einer Kehlkopfentzündung durfte der Comedian-Harmonists-Darsteller nicht singen. Und so übernahmen erstmals in der Geschichte des Bielefelder Theaters zwei Frauen eine Männerstimme. Melanie Kreuter singt seit 18 Jahren an Theatern.
»Das war zum Jahresende eine ganz besondere Premiere«, sagte der stellvertretende Intendant Dieter Powitz gestern dieser Zeitung. Er hatte vor der Silvester-Aufführung von »Jetzt oder nie - Comedian Harmonists II« das Publikum über die missliche Lage von Dirk Witthuhn informiert. Der könne den 2. Tenor Erich Abraham Collin zwar nicht singen, stehe aber trotzdem auf der Bühne. Deshalb erwarte die Zuhörer eine »einzigartige Vorstellung«. Bereits zwei Tage vorher hatte Witthuhn passen müssen; am 29. Dezember lieh ihm die zweite Kapellmeisterin des Bielefelder Ensembles, Caroline Nordmeyer, die Stimme. Mit Melanie Kreuter, die am Silvestertag einsprang, hatte sie gemeinsam, dass kaum Zeit zur Vorbereitung blieb. Denn die Comedian Harmonists gehören nicht zur festen Mannschaft, sondern werden als Gäste engagiert und kommen immer erst kurz vor der Aufführung nach Bielefeld. »Als ich zu Silvester das Publikum über die ungewöhnliche Situation informierte, war mir schon schwummrig zu Mute«, gab Powitz gestern zu: »Schließlich war es nicht das, was die Leute gekauft hatten.« Nach der Aufführung durfte er gut gelaunt ins neue Jahr feiern, denn die Zuhörer waren begeistert und bedachten die improvisierte Vorstellung mit viel Beifall. Und die Comedian Harmonists? »Die stürmten auf Melanie Kreuter zu und gratulierten ihr zu der Leistung«, erzählte der stellvertretende Intendant. Melanie Kreuter selbst ist »zu perfektionistisch, um zufrieden zu sein«. Es sei nicht leicht gewesen, als Sopran eine Männerstimme zu singen, und deshalb sei sie vorher »schon sehr aufgeregt« gewesen, sagte sie gestern dieser Zeitung. Obwohl noch nicht alle Hauptdarsteller eingetroffen waren, hatte sie am Tag vorher immerhin die Chance gehabt, die Stücke durchzugehen. Weil Musiktheater auch Wortbeiträge beinhaltet, musste das Ensemble ein weiteres Mal improvisieren. Die Dialoge für Dirk Witthuhn übernahm Ulrich Neuweiler aus der Bielefelder Mannschaft. »Comedian Harmonists II« schildert die Geschichte des legendären Männer-Sextetts (»Mein kleiner grüner Kaktus«) in den Wirren der Nazi- und Nachkriegszeit. In dem Stück geht es nicht zuletzt um die Frage, woher der Ersatz für die drei jüdischen Mitglieder kommen soll, die nach Österreich fliehen müssen.
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