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Frieden in Jerusalem, das konnte nur »Teddy«

Früherer Bürgermeister der heiligen Stadt stirbt mit 95

Von Sara Lemel
Jerusalem (dpa). Der legendäre ehemalige Bürgermeister Jerusalems, Teddy Kollek, galt als Galionsfigur der Versöhnung zwischen Juden und Arabern. Der in Wien aufgewachsene sozialdemokratische Politiker, der in seiner rauen aber herzlichen Art politisches Urgestein verkörperte, ist gestern im Alter von 95 Jahren gestorben.
Begegnung mit einem der besten Freunde aus Deutschland: Rau und Kollek verband sehr viel.

Keinem seiner Amtsnachfolger war es je gelungen, eine solche Popularität zu erlangen. »Nur Teddy konnte dieses Gemisch regieren, das sich Jerusalem nennt, eine heilige Stadt dreier Weltreligionen und ein Pulverfass«, meinte gestern ein israelischer Kommentator.
Der Streiter für eine Versöhnung zwischen den vielen ethnischen und religiösen Gruppen in Jerusalem, der Hebräisch mit einem starken österreichischen Akzent sprach, hatte in seinem schwierigen Amt mit vielen Frustrationen zu kämpfen. So war er denn auch für seine heftigen Wutausbrüche bekannt. Dennoch erinnern sich ehemalige Mitarbeiter an ihn vor allem als »Gentleman der alten Schule«.
Nachdem er das Bürgermeisteramt 1993 nach fast drei Jahrzehnten abgeben musste, war es stiller um Teddy Kollek geworden. In seinen letzten Jahren zog er sich zunehmend ins Privatleben zurück, kümmerte sich aber weiter um die von ihm gegründete Jerusalem-Stiftung, die Verständigung zwischen den Völkern fördern will.
Kollek war für seinen österreichischen Kulturhintergrund bekannt. Geboren wurde er am 27. Mai 1911 in der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn als Sohn eines Bankiers in der Nähe von Budapest. Schon sein Vorname war Programm für den politisch-idealistischen Einsatz: Sein Vater benannte ihn nach dem Vater des modernen Zionismus, Theodor Herzl. Morgen soll Kollek nun auf dem Friedhof auf dem Herzlberg in Jerusalem beigesetzt werden, auf dem auch der Visionär des jüdischen Staates begraben liegt.
1935 wanderte Kollek gemeinsam mit seiner Familie nach Palästina aus. Während des Zweiten Weltkriegs nahm er große persönliche Gefahren auf sich, um Juden vor der Vernichtung zu retten. In geheimer Mission reiste er aus dem vergleichsweise sicheren Palästina zurück in das umkämpfte Europa.
Bei allem Einsatz für die Koexistenz mit den Palästinensern war Kollek stets gegen eine neue Teilung Jerusalems, nachdem Israel während seiner Amtszeit den 1967 eroberten arabischen Ostteil annektiert hatte. Kollek stand für ein harmonisches Zusammenleben im »ewigen, unteilbaren Jerusalem«, in der die arabische Bevölkerung höchstens eine weitgehende Selbstverwaltung erhalten sollte.
Von palästinensischer Seite wurde ihm mitunter vorgeworfen, er sei mitverantwortlich für den Bau israelischer Siedlungen im Großraum Jerusalem.
Gleichwohl war der Vater zweier Kinder und Großvater von fünf Enkelkindern bis zuletzt ein klarer Gegner des israelischen Siedlungsbaus im Westjordanland. Im Ruhestand litt Kollek besonders unter der immer wieder aufflammenden Gewalt in seiner geliebten Stadt Jerusalem, für die er sich nur »Ruhe, Ruhe und Frieden« wünschte.

Artikel vom 03.01.2007