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Gesundheitsreform: Bayern bleibt auf Konfrontationskurs

Günstigere Prognose über Mehrkosten für finanzstarke Länder vorgelegt

Berlin (dpa). Der Streit über die Gesundheitsreform ist trotz einer neuen Studie mit einer günstigeren Prognose über die Mehrkosten für die finanzstarken Bundesländer nicht beigelegt.

Während Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) Einlenken signalisierte, blieb Bayern auf hartem Konfrontationskurs. Die zusätzlichen Belastungen könnten für Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zwischen 50 und knapp 100 Millionen Euro liegen, geht aus der gestern in Berlin vorgelegten Studie der Sachverständigen Bert Rürup und Eberhard Wille hervor. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) rief die Union eindringlich zum Ende des Streits auf.
Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU) sprach von veralteten Daten und warnte vor Leistungseinschränkungen der Kassen. »Das Gutachten bringt die politische Diskussion also keinen Schritt weiter«, sagte sie. Oettinger erklärte sich dagegen grundsätzlich bereit, den Streit zu beenden. »Wenn die Risiken bei starken Ländern wie Baden-Württemberg bei unter 100 Millionen Euro liegen sollten, dann kann ich damit leben«, sagte er. Allerdings müsse die Studie geprüft werden. Ein Ja des Landes ist ungewiss: Die Landeschefin der mitregierenden FDP, Birgit Homburger, schloss wegen drohender »exorbitanter Mehrkosten« eine Absage nicht aus. Hessen will das Gutachten zunächst prüfen.
Die Krankenkassen in Bayern müssen laut Gutachten mit Zusatzkosten von höchstens 98 Millionen Euro rechnen. Auf Baden-Württembergs Kassen kämen maximal 92 Millionen zu, auf die hessischen 64 Millionen Euro, auf die Kassen in NRW bis zu 20 Millionen Euro.
Die Studie eines Kieler Instituts hatte im Dezember Mehrkosten für Baden-Württemberg von 1,61 Milliarden Euro für Bayern von 1,04 Milliarden Euro vorhergesagt, dabei allerdings den bereits bestehenden Finanzausgleich zwischen den Kassen außen vor gelassen.
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hatte danach im Bundesrat die Zustimmung zur Reform in Frage gestellt.
Wenn es um die Sache gehe, müsse der Streit um die Wirkungen des Gesundheitsfonds und die zusätzlichen Belastungen beendet werden, sagte Schmidt. Es gebe die Abmachung, dass kein Land pro Jahr mehr als 100 Millionen Euro mehr zahlen solle, sagte Schmidt. Dies habe Bayern als Bedingung zur Zustimmung genannt. Sie sei allerdings offen für eine »bessere Formulierung«. CSU-Generalsekretär Markus Söder hatte bereits vor der Veröffentlichung der Studie deren Glaubwürdigkeit angezweifelt.
Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) rief die Kritiker aus der Union zum Einlenken auf. Kiels Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) zeigte sich offen für eine Zustimmung, da es praktisch keine finanziellen Belastungen für das Land gebe. Das Saarland sprach von schlüssigen Zahlen.
Der CSU-Gesundheitsexperte Wolfgang Zöller stellte sich hinter das neue Gutachten. »Was Professor Rürup vorgetragen hat, war für mich schlüssig«, sagte der Unions-Fraktionsvize. Er gehe davon aus, dass die Gesundheitsreform wie in den Eckpunkten beschlossen werde. Der Privaten Krankenversicherung dürfe allerdings nicht »durch die Hintertür das finanzielle Polster abgegraben« werden. Die SPD zeigte sich ebenfalls zuversichtlich.
Der FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende Guido Westerwelle deutete an, dass die Landesregierungen mit FDP-Beteiligung in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen »diesem Gesundheitsmurks« nicht zustimmen werden.
Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund rief Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Brief zum Stopp der Reform auf.
Rürup, der auch Vorsitzender des Sachverständigenrats der Regierung ist, hält die regionale Sicht der Belastungen durch den Gesundheitsfonds für einen »Irrweg«. Mehr als die Hälfte der Versicherten seien bei überregionalen Krankenkassen versichert.
Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen kritisierten die unterschiedlichen Berechnungen zur Belastung der Länder. Es sei keinem Versicherten erklärbar, warum verschiedene Studien zu immer neuen Ergebnissen kämen. Dies zeige, dass die Pläne zur Gesundheitsreform »unausgegoren« seien.Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 05.01.2007