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Populär beim
Bürger, nicht
in der Politik

»Horst wer?« ist passé

Von Lars Rohrandt
Berlin (WB). Bundespräsident Horst Köhler steht derzeit so sehr im Zentrum des öffentlichen Interesses wie seit der Diskussion um die Auflösung des Bundestages vor eineinhalb Jahren nicht mehr. Bei Regierungspolitikern eckt er zunehmend an, bei den Bürgern steigt dagegen sein Popularitätswert.

Zwei Gesetzen verweigerte Köhler jüngst seine Zustimmung. Seit 1949 war dies bis dahin erst sechsmal geschehen. Das Geschrei in der Koalition war groß: »Darf er das?« Er darf und soll. Die Möglichkeit gibt ihm Artikel 82 des Grundgesetzes. Verfassungsrechtler bestätigten Köhlers ablehnende Haltung zum Gesetz zur Privatisierung der Luftraumüberwachung und dem Verbraucherschutzgesetz. »Ich bin kein Unterschriftenautomat«, betont das Staatsoberhaupt, das 2004 als Vorbote einer schwarz-gelben Regierung galt.
Politisch war der 63-Jährige, der als erster Bundespräsident nicht der Berufspolitiker-Gruppe entstammt, hier aber nicht unterwegs. Es ging jeweils um Verfassungsrecht. Um so erstaunlicher waren daher die heftigen Attacken von Seiten der CDU/CSU und SPD.
Selbstkritik, unsauber gearbeitet zu haben, übten die Parteien nicht. Aber beim Streit um die Kompetenzen des Bundespräsidenten geht es eben nicht nur um Recht, sondern auch um Politik. Köhler lässt oft erkennen, dass er mit der Arbeit der Koalition, der er den Weg freimachte, unzufrieden ist.
So kritisierte er das Antidiskriminierungsgesetz und nannte die Mehrwertsteuererhöhung falsch, er mischte sich in die CDU-interne Arbeitslosenhilfe-Diskussion ein und fordert die Koalition zu mehr Konzentration auf das Wesentliche auf. Den SPD-Chef Kurt Beck, der am Jahresende ein vorläufiges Ende des Reformkurses einforderte, ließ er wissen, dass man nicht zwei Schritte vor und dann wieder zwei zurück machen könne.
Das öffentliche Bild Köhlers hat sich gewandelt: Nach der Hälfte der fünfjährigen Amtszeit hat er an Kontur und auch in den Umfragewerten gewonnen. »Horst wer?«, fragt niemand mehr. Ein Großteil der Bevölkerung unterstützt ihn. Köhler, der Nicht-Politiker, wirkt glaubhaft. Als Ökonom nimmt er sich der Themen Arbeit, Bildung und Integration an.
Die Parteien und der Bundespräsident sind sich Ende des vergangenen Jahres im Konflikt näher gekommen. Ob nah genug für einen gemeinsamen Weg oder nah genug für ein Handgemenge, wird dieses Jahr zeigen.

Artikel vom 03.01.2007