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Saddams Tod wird die Gewalt im Irak nicht beenden. Racheakte werden das zerfallende Land weiter destabilisieren.

Leitartikel
Saddams Tod

Hinrichtung
hilft dem Irak
nicht weiter


Von Friedhelm Peiter
Mitleid mit Saddam Hussein ist nicht angebracht. Er hat nach den Gesetzen des Landes gebüßt für seine Verbrechen, auch wenn die Todesstrafe mit den Werten eines aufgeklärten Europa nicht zu vereinbaren ist. In Europa ist die Todesstrafe als unmenschlich geächtet. Diese Ächtung wird auch Aufnahme finden in die geplante EU-Grundrechte-Charta.
Die Genugtuung der meisten Iraker über den Tod des Tyrannen mag groß sein. Der jungen Demokratie im Irak steht auch das Recht zu, über einen Verbrecher wie Saddam zu richten. Aber mit der Hinrichtung Saddams bereits nach nur einem von mindestens zehn Verfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit droht die notwendige Aufarbeitung seiner Schandtaten Saddams bereits gleich zu Beginn abrupt zu enden. Vielen seiner Opfer wird so auch die Möglichkeit genommen, ihre Leiden vor dem gesamten irakischen Volk zu Protokoll zu geben.
Vor diesem Hintergrund ist die Todesstrafe kein Meilenstein zum Aufbau eines demokratischen Irak, wie es US-Präsident George W. Bush ausdrückte.
So hätte ein Prozess vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Untaten des Ex-Diktators gründlicher aufarbeiten können. Dazu gehört der achtjährige Krieg gegen den Iran, den der einstige US-Verbündete Saddam vom Zaun brach. Er ging brutal gegen die Kurden vor. Seiner Schreckensherrschaft fielen 180 000 Kurden zum Opfer. Allein bei dem Gasangriff auf das Dorf Halabdscha starben 5000 Menschen. 1990 überfielen seine Truppen Kuwait, das erst im Golfkrieg 1991 befreit werden konnte. Ein Schiiten-Aufstand im Süden des Landes kostete tausende Menschen das Leben. An einer umfassenden Aufarbeitung der düsteren Saddam-Epoche schienen aber weder die US-Regierung noch die im Irak regierenden Schiiten Interesse zu haben.
Saddams Tod wird die Gewalt im Irak nicht beenden. Die Hinrichtung hat ihn bei seinen sunnitischen Anhängern zum Märtyrer gemacht. Racheakte werden das zerfallende Land weiter destabilisieren. Weder die schwache Regierung in Bagdad noch die Koalitionstruppen sind in der Lage, die Gewalt einzudämmen. Auch ein erfolgversprechender Ansatz zur nationalen Versöhnung zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden ist nicht auszumachen.
Welche Entwicklung der Irak nehmen wird, hängt auch davon ab, welche Strategie die US-Regierung künftig verfolgen wird. Für die Lösung des Irak-Problems gibt es keine »Zauberformel«. Gespräche mit Iran und Syrien zur Beruhigung der Situation seien notwendig. Diese müssten einhergehen mit einer neuen Initiative zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts, resümierte die von Bush eingesetzte Baker-Kommission. Ob Bush dieser Linie folgen wird, ist offen.
Der Brandherd Nahost ist wohl nur mit einem Gesamtkonzept für die Region zu lösen, an dem die Europäer und die arabischen Nachbarn mitarbeiten müssen, auch wenn das im Augenblick utopisch klingen mag.

Artikel vom 02.01.2007