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Dieser Holunderwein ist tödlich

Kammerspiele begeistern Publikum mit »Arsen und Spitzenhäubchen«

Von Manfred Stienecke
Paderborn (WB). Mit dem unverwüstlichen Theaterlustspiel »Arsen und Spitzenhäubchen« gehen die Westfälischen Kammerspiele ins neue Jahr.
Die Schwestern Abby (Isabel Zeumer) und Martha (Monika Werner, r.) sowie ihr Neffe Teddy (Thomas Heller) haben die Polizei im Haus. Foto: Theater/Morsch

In einem herrlich plüschigen Bühnenbild und Kostümen aus dem Amerika der Vorkriegszeit zelebriert die Paderborner Bühne den Klassiker der Schwarzen Komödie von Joseph Kesselring.
Das Stück um das altjüngferliche Schwesternpaar Abby und Martha Brewster, das mit perfider Liebenswürdigkeit ein Dutzend Männer um die Ecke gebracht hat, und die auch sonst ziemlich durchgeknallte Familie hat schon Generationen von Theaterbesuchern und Filmfreunden amüsiert und bis heute nichts von seiner urkomischen Faszination eingebüßt - wenn es denn mit so herzerfrischender Spielfreudigkeit umgesetzt wird wie jetzt wieder im Theater am Rathausplatz.
Nach außen scheint die Welt der Brewster-Schwestern friedlich, wenn auch etwas verschroben. Hinter der gutbürgerlichen Fassade aber lauern wahre Abgründe, haben es sich die beiden alten Damen - durchaus gutwillig - doch zur Lebensaufgabe gemacht, einsamen älteren Herren mittels vergifteten Holunderweins zum Glück im Jenseits zu verhelfen. Zwölf Leichen hat der schizophrene Neffe Teddy, der sich für den amerikanischen Präsidenten hält und persönlich den Bau des Panamakanals überwacht, bereits im Keller gebunkert, bis das spleenige Sterbehilfe-Unternehmen durch das Auftauchen des schwerkriminellen Neffen Jonathan eine gefährliche Wendung nimmt. Der hat nämlich ebenfalls eine Leiche zu »entsorgen« und scheut nicht davor zurück, auch Mitwisser in der eigenen Familie zu beseitigen.
Regisseurin Katarina Kokstein gelingt es mit erfreulich leichter Hand, die rabenschwarze Geschichte mit parodierten Versatzstücken aus dem Grusel- und Horrorgenre komödiantisch auf Kurs zu halten. Das Kammerspiel-Ensemble, ergänzt um einige Gäste, schlüpft in die zahlreichen skurrilen Charakterrollen und darf dabei zum Vergnügen der Zuschauer auch mal kräftig überzeichnen. Das Premierenpublikum belohnte Inszenierung und Akteure nach dem letzten Glas Holunderwein mit stürmischem Schlussapplaus. Der intelligente Bühnenklamauk steht bis Ende Januar auf dem Spielplan.

Artikel vom 30.12.2006