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Böller verursachen Hörschäden

Jahr für Jahr 30 000 Patienten nach Silvester-Knallerei - Ohren schützen

Kassel/Herten (dpa). Bis zu 30 000 Deutsche erleiden jedes Jahr Hörschäden durch den Knall explodierender Böller.

»Wir haben in Deutschland jedes Jahr 20 000 bis 30 000 Patienten mit plötzlicher Hörminderung oder Tinnitus, die auf Böller zurückzuführen sind«, sagte der Chefarzt der Tinnitus-Klinik im nordhessischen Bad Arolsen, Gerhard Hesse. Ihm zufolge unterschätzen viele Menschen die Gefahr von Silvesterknallern für das menschliche Ohr.
»Bei etwa 340 000 Patienten insgesamt in dieser Gruppe im ganzen Jahr heißt das: Etwa jeder zwölfte Geschädigte leidet nur wegen der Knallerei an einem Tag des Jahres unter diesen Beschwerden«, sagte Hesse. Nach seinen Worten ist ein großer Teil der Schäden nicht mehr zu beheben.
Selbst einfache Knaller, ordnungsgemäß benutzt, seien eine Gefahr. »Ein normaler Knaller hat 130 bis 140 Dezibel. Das ist ein Düsenjäger in 100 Metern Entfernung. Viele Böller sind noch lauter. Da ist es kein Wunder, wenn das Ohr Schäden davonträgt.«
Zumeist würden die vorderen Haarzellen, die im Ohr den Schall aufnehmen, ausreißen und so dem Ohr die Fähigkeit zum Hören höherer Töne nehmen. »Zu Neujahr hat jede Arztpraxis davon vier oder fünf Fälle. Sonst ist es vielleicht einer im Monat.« Selbst ein Rockkonzert sei erheblich leiser als ein Knaller, der das Ohr zudem unvorbereitet treffe. »Hinzu kommt, dass in der Regel Alkohol getrunken wurde und der Körper so noch langsamer reagiert.«
Hesse empfiehlt, am Silvesterabend Ohrenstöpsel zu tragen. »Das ist unkompliziert und billig und nimmt dem Schall zehn oder 20 Dezibel.« Empfehlenswert sei das für jeden, der Silvester auf die Straße gehen wolle: »Raketen, die in einer gewissen Höhe knallen, sind sicher unproblematisch. Aber selbst ein ein paar Meter weggeworfener Knaller ist für das menschliche Ohr zu laut.«
Versicherungen rechnen unterdessen nach Neujahr mit Feuerwerksschäden von mindestens 250 Millionen Euro. In den meisten Fällen würden sie zahlen, hieß es am Freitag in einer Mitteilung des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute in Herten. Es gebe aber auch Beispiele, wo der Verursacher selbst zur Kasse gebeten werde.
So werde wohl ein Feuerwerker, der seine Knaller selbst bastelt und fahrlässig im Haus zündet im Schadensfall belangt. Ganz besonders teuer könnte es für ihn werden, wenn er Schuld an Verletzungen und bleibenden Schäden bei Menschen trage.
In Routinefällen zahlten allerdings die Versicherungen der Geschädigten. »Daher einfach alles melden«, empfiehlt ein Sprecher.
Zu Deutschlands größter Silvesterparty werden in Berlin Hunderttausende erwartet, die dort, wo vor wenigen Monaten noch Fußballfans ein Sommermärchen feierten, das neue Jahr begrüßen. Die Veranstalter rechnen auf der zwei Kilometer langen Festmeile zwischen Brandenburger Tor und Großem Stern sogar mit einer Million Besuchern.
Für Feuerwehr und Krankenhäuser bedeutet das Fest unter dem Motto »Welcome 2007« allerdings Ausnahmezustand - den Aufwand vergleichen sie mit dem auf der Fanmeile zum WM-Endspiel.

Artikel vom 30.12.2006