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Dr. Oetker - das ist
eine Welt ganz für sich
Ausstellung in Bielefeld soll Verbrauchern die Markenphilosophie vermitteln
Den Dingen des Alltags auf den Grund gehen. In Erinnerungen kramen. Neue Perspektiven gewinnen. Und Anregungen mitnehmen. Bielefelds einzige Touristenattraktion von europäischem Format bietet ein Reise-Erlebnis der besonderen Art. Dabei verstößt die 11 071 Quadratmeter große »Dr. Oetker-Welt« eigentlich gegen zahlreiche Regeln des Freizeit-Geschäftes.
Der Zugang ist streng limitiert. Eine Kombination mit anderen Attraktionen Ostwestfalens im Rahmen einer Pauschale? Fehlanzeige! Beinahe möchte man sogar das Urteil »Thema verfehlt« abgeben, denn die »Dr. Oetker-Welt« lässt ganz wesentliche Komponenten des Firmen-Erfolgs außer Acht. Dabei wäre es so spannend, etwas über die Reederei Hamburg-Süd, die zum Unternehmen gehörenden Luxushotels, namhaften Sektkellereien und Bierbrauereien sowie das Bank- und Versicherungsgeschäft zu erfahren. »Aber es war von Beginn an nicht unser Ziel, ein Museum der Unternehmensgruppe einzurichten, sondern eine ganzheitliche Inszenierung der Marke Dr. Oetker zu schaffen«, stellt das Unternehmen klar.
Betrachtet man die Dr. Oetker-Welt unter diesem Gesichtspunkt, so hat Bielefeld in der Tat eine Attraktion von überregionaler Strahlkraft gewonnen. Sie ist die konsequente Weiterentwicklung des direkten Kundendialogs, den das Unternehmen mit Verbrauchertelefon, Back-Club und Tipps aus der Versuchsküche pflegt. Kam die Dr. Oetker-Welt früher auf Zelluloid in Gasthaus-Säle, so reisen heute Besucher aus allen Teilen Deutschlands nach Bielefeld, um sich in der ehemaligen Puddingpulver-Fabrik zu informieren.
Interessenten müssen allerdings Geduld haben: Alle Termine für 2007 sind bereits ausgebucht. »Mit einem derartigen Interesse hatten wir gar nicht gerechnet«, verrät Pressesprecher Jan Miska. Doch trotz langer Wartelisten will man am Konzept festhalten. »Wir wollen keine Butterfahrt nach Bielefeld und die Ausstellung nicht als touristisches Ziel positionieren.« Die Schau sei ein Marketinginstrument zur Kundenbindung. Es geht um die persönliche Vermittlung der Markenphilosophie an interessierte Verbraucher. Der klassische Oetker-Werbespruch »Qualität ist das beste Rezept« passt daher auch zur Präsentation, denn die Besucher können sich in aller Ruhe Filme ansehen und Tondokumente anhören. Kein Gedränge stört beim Hören, Sehen und Staunen. Die Qualität des Besuchserlebnisses passt 1:1 zur Qualität der Oetker-Produkte.
Die Stärkung der Marke ist für Dr. August Oetker übrigens auch ein Heilmittel gegen die Ausdehnung der Discount-Angebote.
So begegnet man zum Beispiel Johanna Kind, die Patin für den »Hellkopf« im Markenlogo stand. An allen historischen Maschinen der Ausstellung sind Videomonitore angebracht. Die Filme zeigen Szenen aus der Produktion, die Arbeiter geben die notwendigen Erläuterungen. Keine Absperrungen trennen sehenswerte Exponate und Besucher. Und weil der Familienunternehmer Oetker seine Mitarbeiter als Teil der Marke sieht, lässt er die Besucher auch an ihrer Arbeit teilhaben: Durch die riesige Fensterfront blickt man direkt in die Versuchsküche nebst Konferenztisch - mitunter ist der Chef persönlich Teil der Szenerie.
»Heutzutage werden immer weniger Back- und Kochkenntnisse von Generation zu Generation weitergegeben«, weiß Kerstin Buchholz, Leiterin der Dr. Oetker Versuchsküche zu berichten. »Und darauf müssen wir reagieren«, sagt Buchholz. Damit die 350 Dr. Oetker Produkte - vom Pudding bis zur Pizza - immer gleich gut gelingen, spiegelt die Versuchsküche jede nur erdenkliche Ausstattung einer durchschnittlichen Haushaltsküche wieder. Deshalb stehen in Bielefeld auch etwa 50 verschiedene Backöfen: Vom ultramodernen High-Tech-Gerät bis zum alten Schätzchen ist alles vertreten, denn in jedem muss das Gebäck garantiert gelingen.
Auch sonst gibt es reichlich technische Raffinessen: Ein Hörspiel vermittelt, wie Dr. August Oetker in der Aschoff'schen Apotheke einst das Backpulver so verfeinerte, dass die Produzenten eine Geling-Garantie geben konnten. Auch ist man beim Backen eines Guglhupfs nicht nur über drei Bildschirme mitten im Geschehen, sondern kann zusätzlich den leckeren Duft der Zutaten genießen.
Hunderte phantasievoll verpackte Einkochmarmeladengläser zeigen, welchen Stellenwert »do it yourself« auch heute noch im modernen Haushalt hat. Und zum Schluss zapft und rührt man sich selbst einen Vanillepudding - denn der Besuch dieser tollen Ausstellung macht Appetit. Außerdem darf man sich Rezepte »pflücken« -Êund als Zugabe gibt es die Guglhupf-Backmischung zum Mitnehmen. Thomas Albertsen

Artikel vom 06.01.2007